Ja, und dann hat es uns tatsächlich doch erwischt : Azorenhoch-Flaute. Eine Weile sah es so aus, als ob wir auf das im Uhrzeigersinn kreisende Hochdruckgebiet „aufspringen“ und mitfahren könnten. Aber Walkabout war leider nicht schnell genug. Nun haben wir den richtigen Schwung verloren und sitzen mehr oder weniger fest. Schneckentempo. Sonntag Nachmittag schläft der Wind völlig ein, es geht nicht weiter. So bleibt es den ganzen Montag, den Dienstag auch noch …. Wir versuchen natürlich, einigermaßen Kurs Nord-Ost zu segeln, machen dabei ungefähr 2 Knoten Fahrt. Die Windsteueranlage arbeitet nicht bei so wenig Wind, deswegen müssen wir sehr genau von Hand steuern. Zwischendurch lassen wir uns einfach treiben, das Boot bewegt sich dann mit 1,8 Knoten gerade nach Norden hoch. Beides ist nicht besonders effektiv. Unter Motor können wir mit 4-5 Knoten Geschwindigkeit genau auf der Kurslinie steuern, das bringt uns natürlich ein messbares Stückchen weiter. Geht aber nicht ewig, weil unser Diesel-Vorrat begrenzt ist. Und teuer. 🙁 Um 16.00 Uhr am Nachmittag sind wir erst 7 Seemeilen entfernt von unserem Wegpunkt um 8.00 Uhr. Das ist schon ein bisschen frustrierend. Geduld heißt das Zauberwort. Etmale um die 60. Die Ankunft verzögert sich ( mal wieder ) ein bisschen. 😉
Tagelang kein Wölkchen am Himmel. Der Ozean erscheint tiefblau und leuchtet in der Sonne. Schwimmen ist trotz Windstille unmöglich, denn im Wasser wimmelt es von Portugiesischen Galeeren. Berührungen mit den Tentakeln dieser Quallen sind für Menschen äußerst schmerzhaft und langanhaltend. Das Gift kann sogar einen allergischen Schock mit Atemstillstand und Herzversagen hervorrufen. Nachmittags gibt es deswegen Eimer-Dusche auf dem Vordeck. In einiger Entfernung treibt ein hellblauer Gegenstand, sieht aus wie ein Kanister oder ein Fass. Ansteuerung und Herausfischen mit dem Bootshaken klappt im zweiten Anlauf. Es handelt sich um eine leere Gas-Flasche aus Metall. Die nehmen wir mit, die gehört nicht ins Meer. Ein großer Schwarm Tunfische überholt uns an steuerbord. In einer langen Reihe und mit erstaunlicher Geschwindigkeit bewegen sich die Fische voran, tauchen aus dem Wasser und wieder unter. Sind die auf der Jagd ? Oder werden die gerade selber gejagt ? Bei uns beißen die Fische nicht mehr, dafür haben wir ständig Seegras an der Angel. Zappenduster ist es beim Abendessen um uns herum, dafür ist es morgens um 4.00 Uhr zu Beginn meiner Früh-Wache bereits taghell. Okay, die Zeichen sind deutlich, die Bordzeit sollte angepasst werden. Zunächst einmal stellen wir alle Uhren um zwei Stunden vor, das müsste die Hälfte der gesamten Verschiebung sein. Hell wird es ab jetzt um 5.30 Uhr, da kann unsere innere Uhr besser mit umgehen. Jede Nacht leuchten Milliarden von Sternen an einem klaren Himmel. Im Minutentakt kann man herabstürzende Sternschnuppen sehen.
Mittwoch in der Nacht meldet sich der Wind zurück, etwas zurückhaltend zunächst, aber Walkabout schnauft langsam weiter. Nach ein paar Stunden hat es sich eingeweht, erst aus Nord-Ost, dann weiter umlaufend aus Ost. Sehr zu unserer Freude mag die Aries damit arbeiten. Hart am Wind wird es gleich wieder holperig an Bord. Keine Hurricanes im Anmarsch, keine Sturm-Warnung, es bleibt friedlich. Ab und an ziehen Wolkenfelder über uns hinweg, die ein bisschen mehr Wind im Gepäck haben. Aber es gibt keine schwarzen Wolken-Ungetüme mehr in der Nähe. Auf diese wütenden Überfalle mit 8-9 Beaufort können wir auch gerne verzichten. Wir sind froh, dass wir ohne große Anstrengung segeln können, mit 5 Knoten Fahrt in der Stunde sind wir sehr zufrieden. Der Kurs ist noch nicht optimal, aber das wird sich ändern, wenn der Wind sich an die Abmachungen hält. Und tatsächlich passiert das Vorhergesagte, es dreht im Uhrzeigersinn weiter über Süd bis Süd-West. Können wir alles gut gebrauchen. Schönwetter-Segeln mit moderater Stärke und nach anfänglichen Turbulenzen auch gleichmäßiger Wellengang dazu. Das gefällt uns, so kann es gerne noch ein bisschen bleiben. In der Nacht zu Donnerstag kommt das erste Reff ins Groß, morgens früh dann das zweite Reff, die Genua wird bis zur Hälfte eingerollt. Wir haben Wind, mehr Wind, und noch ein bisschen mehr. Aber okay, es wird nicht zu viel, bleibt im bequemen Bereich. Und es geht vorwärts. 🙂 Kein Grund zum Meckern. Unser Wetter-Fachmann Henning meint, dass uns dieser Wind mit ein bisschen Glück bis zu den Azoren bringen wird. Einverstanden. 🙂 Es sieht tatsächlich gut aus. Windstärken 5-6, tendenziell eher von achtern, lassen uns flotte Fahrt machen. Es läuft und läuft …. 6-7 Knoten im Durchschnitt. Der Meilenzähler tackert herunter, das Zusehen macht richtig Spaß. Und der Wind verlässt uns nicht mehr, es wird eher mehr als angesagt. Einige wenige Stunden fahren wir mit voller Genua und ungerefftem Groß, das wird aber schnell zu viel Segelfläche. Die letzten drei Tage segeln wir durchweg mit zwei Reffs und machen trotzdem schnelle Fahrt. Im Logbuch der letzten Woche verzeichnen wir nur noch Etmale von 130 aufwärts. Segeln vom Feinsten. 🙂 Walkabout galoppiert, die Windsteueranlage hält Kurs, für uns gibt es nichts zu tun. Zeit genug zum Lesen und Schlafen. Wir werden ausgeruht ankommen. Dienstag abends passieren wir die westliche Inselgruppe der Azoren in 20 Seemeilen Entfernung. Ganz vage kann man den hellen Schein des Leuchtturms ausmachen, der in regelmäßigem Takt sein Rad schlägt. Ansonsten ist nichts zu erkennen von den Inseln Flores und Corvo. Zu klein, zu flach, zu unscheinbar.
Die Ansteuerung von Horta ist auch bei Nacht nicht schwierig. Die Einfahrt ist deutlich mit einem roten und einem grünen Licht befeuert. Wir kennen die Westseite der Insel zwar nicht vom Seeweg her, aber durch unsere Wanderungen im letzten Jahr ist uns die ganze Küste vertraut. Gegen Mitternacht fällt der Anker im Vorhafen von Horta auf 9 Meter Wassertiefe. Eigentlich ist es hier bereits 2.00 Uhr in der Frühe, wir müssen die Uhren nochmal um zwei Stunden vorstellen. 2263 Seemeilen sind es insgesamt geworden. So eine direkte Linie ohne viel Zick-Zack und Umwege haben wir noch nie hingelegt. Es muss wohl doch der richtige Wind geweht haben. 🙂 Nur noch das Bett frisch beziehen, etwas aufräumen, ein Feierabend-Bier im Cockpit trinken und dann die ungestörte Nachtruhe genießen. Morgen werden wir uns über Funk anmelden und erfahren, wie das weitere Prozedere ist. Immerhin sind wir in diesem Jahr dreifach geimpft, das wird uns vermutlich die Quarantäne ersparen. Inzwischen haben wir richtig Lust auf diesen quirligen Ort, an dem wir letzten Sommer drei Wochen verbracht haben. Der Speiseplan ist nach mehr als 3 Wochen auf See etwas eintönig geworden. Wir freuen uns schon auf den Einkauf im Supermarkt, besonders auf gekühlte Sachen. Bisher haben wir noch nie einen Kühlschrank vermisst, aber bei dieser andauernden Hitze könnte man drüber nachdenken …. 😉
Hallo Frauke und Thomas,
schön dass Ihr die Reise, die ja nicht ganz einfach war, so gut und unbeschadet geschafft habt!
Durch Eure authentischen Reisebeschreibungen kann ich auch wahrnehmen, dass meine Wetterankündigungen doch manchmal nützlich gewesen sind.
Ein großer Spaß für mich wie auch für Euch sind ja ganz andere Themen in den täglichen Mails, wie „Eiscreme oder Brummbären“usw. Wir sind da denke ich auf einer Wellenlänge! So wird manche Starkwindankündigung wie eine Medizin in lustige Mitteilungen verpackt um dem Sturm die Stärke zu nehmen.
Vielen Dank an Euch, daß ich durch meine Begleitung richtig unter Segel komme!
Liebe Grüsse aus Hamburg von Henning
Lieber Henning,
deine Gute-Nacht-Geschichten garniert mit Wetterdaten sind uns immer ein Vergnügen, auch wenn wir die Funk-mails erst früh am Morgen abrufen. Ja, hat gut geklappt. Danke für deine Begleitung. Bleib gesund und lieben Gruß auch an deine bessere Hälfte.
Thomas und Frauke
Chapeau Freunde, mal wieder eine tadellose Leistung. Jetzt ist der letzte Schritt nach Hause nur noch ein Klacks. Oder wollte ihr walkabout auf den Azoren lassen? Liebe Gruesse aus Fiji.
Walkabout wird den Winter auf den Kanaren verbringen. Wir wollen nie mehr mit dem Boot nach Hause. Nein, danke. Norderney hat sich sehr verändert, das ist nicht mehr unsere Insel. Mitte Oktober fliegen wir heim, um das neue Enkelkind zu bestaunen.
Schöne Grüße, lasst es euch gutgehen.
Thomas und Frauke