Wir segeln und wandern durch die Welt

Goldsteig 1. Woche ab 29.06.2020

Der Goldsteig ist ein Fernwanderweg im Fichtelgebirge. Je nach gewählter Route verläuft er durch Ost-Bayern und/oder Böhmen. Mit einer Gesamtstrecke von 660 Kilometern ist der Goldsteig der längste und vielseitigste unter Deutschlands Qualitäts-Wanderwegen. Man durchquert dabei faszinierende Mittelgebirgs-Landschaften wie den Oberpfälzer Wald und Bayerischen Wald. Unsere Strecke verläuft von Marktredwitz bis nach Waldmünchen gleichauf mit dem Burgenweg. Auf diesem Weg liegen unglaubliche 170 Kirchen, Schlösser, Burgen und Türme. Nach etwa 140 Kilometern teilt sich der Goldsteig. Wir wählen die anspruchsvolle Nord-Variante mit 10250 Höhenmetern Aufstieg und 10500 Höhenmetern im Abstieg. Diese Strecke ist anstrengender und damit sicherlich einsamer als die Alternativen, denn der Weg führt über einige Tausender-Gipfel hinweg. Alle Routen laufen in Passau zusammen und enden in der Drei-Flüsse-Stadt.

Die Strecke vom Ende des Kammweges bis zum Goldsteig haben wir erstaunlich gut gefunden. Genau 2 Wochen nach unserem Start in Dresden erreichen wir das Zentrum von Marktredwitz. In Ermangelung schöner Picknick-Plätze setzen wir uns für die weitere Planung auf eine Bank mitten im Zentrum. Eine prunkvolle Kirche über uns, die Tourist-Info nebenan, viel Verkehr …. es reicht schon wieder mit Stadt. Wir suchen und finden den Beginn des Goldsteiges. Im Wald fühlen wir uns wohler. Kommen an einem Wanderheim vorbei, aber das ist leider geschlossen. Eigentlich hatten wir hier auf Wasser gehofft. Im nächsten Dorf fragen wir einen Mann, ob er wohl bitte unsere Flaschen mit Leitungswasser füllen würde. Der geht prompt in seine Garage und schenkt uns 2 große Flaschen mit allerfeinstem Mineralwasser. Nachmittags setzt leichter Regen ein, aber das tut der guten Stimmung keinen Abbruch. Wir sind endlich auf dem Goldsteig und freuen uns auf weitere 3-4 Wochen Wandern in Deutschland. Ein hübsch bemalter Stein liegt am Wegesrand. Wir lassen ihn liegen, denn wir möchten keine Steine schleppen. Die Burgruine Weißenstein mit ihren verfallenen Mauern sieht interessant aus. Verschiedene Gebäudetrakte, verwinkelte Wege auf mehreren Ebenen und ein Turm mit vielen Steinstufen, den wir natürlich zum Ende des Tages noch erklimmen. Zwei überdachte Schutzhütten davor, wo wir bequem unsere Abendmahlzeit kochen und essen können. Perfekt ! Dann nur noch ein kleines Stück weiter, denn hier zu zelten wäre schon ziemlich frech. Feierabend nach knapp 30 Kilometern.

Es ist nur ein Katzensprung bis in den Ort Friedenfels, aber der nächste Tag beginnt damit, dass ich mich verlaufe. Nur ein kleines Waldgebiet nahe der Straße, durchzogen von mehr oder weniger breiten Wegen …. und ich bin so sehr auf einen Einkaufsladen fixiert, dass ich den Abzweiger verpasse. Komme eine ganze Stunde später als Thomas in Friedenfels an, wo es auf der Terrasse vom Dorfladen erst einmal ein ordentliches Frühstück mit leckerem Kaffee gibt.
Um 11.00 Uhr geht es weiter. Gleich hinter dem Dorf entdecken wir einen Wald-Friedhof, den wir uns gerne näher ansehen möchten. Die ganze Szenerie wirkt dunkel, zugewachsen, etwas unheimlich. In dem Moment, wo wir das hölzerne Tor öffnen, entschwindet eine ansehnliche Schlange zwischen den Gräbern. Etwa 1,20 Meter lang, schwarz mit hellen Flecken gemustert. Vermutlich handelt es sich um eine Ringelnatter, die ist völlig ungiftig. Eine weitere Schlange liegt auf dem Weg, hübsche Kupferfarbe, aber wesentlich kleiner und schlanker. Auf unserer Wanderung haben wir bisher nur zahlreiche Blindschleichen gesehen, sowohl lebend als auch platt auf der Straße.
Ein Hase von ganz erstaunlicher Größe hüpft in einiger Entfernung über’s Feld. Zwei Rehe springen aufgeschreckt davon. Mehrere Kilometer weit folgen wir einem schmalen Pfad durch Sumpfgebiet. Teiche zu beiden Seiten, viele Mücken, das ist das Gebiet der Wiesauer Waldseen. Seerosen leuchten in gelb und in rosa. Wunderschön ! Auf Schautafeln sind die heimischen Fischarten abgebildet und erklärt. Besonders beeindruckt uns der Wels. Dieser größte Süßwasser-Fisch Europas kann bis zu 3 Meter lang und 200 Kilo schwer werden. Dem möchte man nun wirklich nicht beim Schwimmen begegnen. 😉
Dicht am Ufer entdecken wir eine dünne Schlange auf einem im Wasser verrottendem Baumstamm. Etwa ein halbes Dutzend großer weißer Vögel sitzt auf den hohen Bäumen am gegenüberliegenden Ufer. Silberreiher – die können bis zu einem Meter lang werden bei einer Flügel-Spannweite bis zu 1,70 Meter. Es ist wirklich ein imposanter Anblick, wie sie sich alle gleichzeitig in die Lüfte erheben. Auf den Teichen sind mehrere Schwan-Familien zu Hause, immer paarweise und mit Nachwuchs. Ein Paar hat sogar 5 Küken um sich herum geschart. Die Jungen sehen so aus, als könnte man sagen : „Die kommen durch.“ 🙂 Damit haben wir an unseren ersten beiden Tagen auf dem Goldsteig bereits mehr Tierwelt gesehen als auf dem gesamten Kammweg. 🙂
Nachmittags machen wir eine lange Pause in  Falkenberg. Über dem kleinen Ort thront die gleichnamige Burg. Direkt hinter dem Dorf beginnt das Naturschutzgebiet Walnaabtal. Nett angelegte Wege, schöne Landschaft. Zelten verboten, aber das ist es ja eigentlich überall. Nur hier möchten wir uns gerade nicht erwischen lassen. Also marschieren wir weiter und weiter. Wir finden so schnell keinen Zeltplatz, steile Hänge links und rechts. Es wird spät, wir sind 35 Kilometer gelaufen, bis wir endlich eine Möglichkeit außerhalb des Naturschutzgebietes finden. Am Ende eines Waldstückes sind offensichtlich Baumfäll-Arbeiten im Gange. Dort bauen wir auf frischen Sägespänen das Lager auf, weich und wohlriechend. Allerdings befindet sich unser Zeltplatz nahe an einer Autobahn und direkt neben einer vielbefahrenen Bahnlinie. Es ist unfassbar laut, aber irgendwann siegt schließlich doch die Müdigkeit.

Wir brauchen einen größeren Ort zum Einkaufen. Windischeschenbach sieht vielversprechend aus, aber unser Goldsteig macht einen Riesenbogen durch Wald und über die Felder. Keine Stadt-Berührung. Nächste Chance ist dann 12 Kilometer weiter in Neustadt an Waldnaab. Dort gibt es einen kleinen Edeka, eine gute Gelegenheit für eine lange Pause im Schatten mit Essen und Trinken. Anschließend geht es tüchtig bergauf zum Vierkantberg, auf der anderen Seite gleich wieder abwärts. Bäume sind mit rot-weißem Flatterband abgesperrt, überall stehen Warnschilder : Vorsicht – hier gibt es Eichenprozessionsspinner ! Die Haare der Raupen und Gespinste können üble allergische Reaktionen auslösen. Es ist eigentlich viel zu heiß zum Wandern, die Sonne brennt uns gnadenlos auf’s Haupt. Immer weiter führt der Weg ausgesetzt durch die Felder und über den Heiligdreifaltigkeitsberg. Auf einem grünen Hügel mit einem markanten Einzelbaum thront die kleine weiße Kapelle, schon von weitem sichtbar. Wir sind schwer beeindruckt von einer imposanten Buche, die laut Hinweistafel bereits über 350 Jahre alt ist.
Thomas findet Karten mit guten Wünschen und Aufmunterungen : Den „Engel der Ausdauer“ schenkt er mir. Kann ja nicht schaden. Die Karte für „Veränderung“ legen wir wieder zurück. Wir brauchen keine Veränderung, keinen Neuanfang und keine neue Liebe. Beide sind wir glücklich und zufrieden mit dem Leben, welches wir uns selber ausgesucht haben. Also lassen wir diese Mutmach-Karte für nachfolgende Wanderer, die sich daran erfreuen können. Noch zwei weitere Karten liegen – mehr oder weniger versteckt – auf dem Weg. Da hat sich Jemand sehr viel Mühe gegeben, um etwas Licht in diese trübe Corona-Zeit zu bringen. Das Suchen und Finden macht Spaß, die handgeschriebenen Verse regen zum Nachdenken an, hinterlassen aber eine durchweg positive Stimmung. Toll ! 🙂

Letzte Nacht Gewitter, Blitz, Donner und viel Regen. Morgens ist die Wiese floddernass, es tropft von den Bäumen. Ein Reh spaziert über die Lichtung. Bei der erstbesten Bank gibt es erst einmal Kaffee und Kekse. Von da an führt der Weg stetig hinauf und hinunter durch dichten Wald. Es fängt schon wieder an zu regnen, heute ist kein Wetter für lange Pausen. Die Schutzhütten auf dem Goldsteig haben alle geschlossen, was vermutlich Corona-bedingt ist. Nach gut einer Stunde erreichen wir ein Gasthaus. Wir sind nass und kalt, also nichts wie hinein. Um 11.00 Uhr gibt es Schweinebraten, Knödel, Salat, Bauernschnitzel mit Kroketten zum Frühstück. Man gönnt sich ja sonst nichts. 😉 Nach dieser Stärkung folgen wir einem schmalen Pfad entlang des Flusses Pfreimd. Der Weg geht über in einen Kreuzweg über den Kalvarienberg. Für Pilger wurde hier eine Nachahmung der „Via Dolorosa“ inszeniert. Viele bunt bemalte Steine liegen in einer Reihe am Waldrand, einer schöner als der andere. Daran haben wir mehr Spaß als an den vielen Kreuzen, die schon fast ein bisschen bedrückend wirken. Auf einem Schild etliche Kilometer zurück haben wir Werbung für den Dorfladen in Trausnitz gesegen. Wir beeilen uns und erreichen ihn eine Stunde vor Ladenschluss. Kleiner Einkauf, Pause auf der Terrasse des Ladens, wo wir auch unser Zelt trocknen können. Auf der Straße liegt ein Maulwurf, der leider Pech gehabt hat. Das Tierchen war einmal sehr hübsch, nun ist es leider mausetot. Thomas entdeckt eine Echse im Gebüsch, erstaunlich groß, ca. 20 Zentimeter lang. Zwei Hasen und ein weiteres Reh kreuzen unseren Weg.

Tag 5 auf dem Goldsteig beginnt mit einem Aufstieg auf den Schlossberg, wo zahlreiche Bänke mit schöner Aussicht zur Kaffeepause einladen. Weiter geht es auf dem Geologischen Lehrpfad. Dort stehen Granitblöcke in unterschiedlichen Größen und Farben, naturbelassen oder bearbeitet und glatt geschliffen. Tiefe Mulden mit durchgepflügter Erde sind ganz deutliche Anzeichen für Wildschweine. Gesehen haben wir bisher noch keine. Mini-Frösche von nur 1-2 Zentimeter Größe hüpfen auf dem Weg. Wir könnten eine Dusche und einen Ruhetag gebrauchen. Ein sauberer Rastplatz mit Bänken bietet sich an, um einen Ort zum Übernachten zu suchen. Die Entfernungen passen alle nicht optimal, aber schließlich finden und buchen wir ein Zimmer in Oberviechtach. Kurz vor dem Ort befindet sich die Jakobikirche. Die Einrichtung ist schlicht, aber hell und freundlich. Ich hinterlasse einen Eintrag im ausgelegten Gästebuch. Nach gut 20 Kilometern erreichen wir die Pension Weigl, wo wir uns mit der weiteren Planung beschäftigen müssen. Ein Ausstieg vom Trail ist geplant, weil wir zu einer Feier nach Marburg fahren werden. Komplizierter als erwartet, denn die Bahnverbindungen von unserer einsamen Nordroute aus sind schlecht. Wir werden das Tempo reduzieren und auf einer Alternative bis nach Zwiesel laufen. Die Strecke dorthin ist etwas kurz, die Distanz entspricht nicht unseren gewohnten Tagesetappen, so dass wir in der nächsten Zeit entspanntes Laufen haben. Bisher sind wir 130 Kilometer auf dem Goldsteig unterwegs und befinden uns am Ende der Etappe 7. Dem Knie von Thomas geht es erstaunlich gut. 🙂