Wir segeln und wandern durch die Welt

Horta / Faial ab 14.07.2021

Alle Inseln der Azoren sind vulkanischen Ursprungs. Der letzte große Ausbruch ereignete sich im Jahr 1957 vor Faial und hinterließ im Westen eine Mondlandschaft. Bei unserer Anfahrt ist der erste Eindruck „grün“. Sanfte Hügel, saftige Weiden, Wald, uns bietet sich ein sehr fruchtbares Landschafts-Bild. Es regnet viel, die Pflanzenwelt wächst und gedeiht prächtig in diesem feucht-warmen Klima. Die Insel Faial hat eine Gesamtfläche von 173 m² und ist damit noch kleiner als El Hierro mit 270².  Eine Küstenlänge von 80 Kilometern, das ist überschaubar und lädt zum Wandern ein. Bei klarer Sicht sind die Nachbarinseln Pico, São Jorge und Graciosa deutlich zu erkennen. Der Vulkan Pico auf der gleichnamigen Insel ist zugleich der höchste Berg Portugals. Über 6000 Meter misst er vom Grund, aber nur 2351 Meter ragen heraus aus dem Atlantik.


Eine Zeitverschiebung von 2 Stunden ist für uns ziemlich bedeutungslos, da wir keine Termine haben. Auf den Azoren ist es zwei Stunden früher als in Deutschland.
Faial gilt als „Seglerparadies“. 5000 Yachten pro Jahr machen auf ihrem Törn über den Atlantik in die Karibik hier fest. So herrscht hier eine bunt gemischte Weltenbummler-Atmosphäre. Berühmt ist Horta für seine farbenprächtigen Hafen-Malereien. Segler verewigen sich mit phantasievollen Bildern an der Mole und an den Mauern. Das alte Fort, die „Festung Santa Cruz“, direkt am Yachthafen hat nur noch historische Bedeutung und ist heute Sitz eines 4-Sterne-Hotels.

Die erste Nacht am Anker ist okay. Wir gehen früh in die Koje und schlafen gründlich aus. Den folgenden Tag verbringen wir mit Aufräumarbeiten an Bord und Dingen, zu denen man sonst nicht kommt. Wir sind schließlich in Quarantäne. Thomas hat eine spanische SIM-Karte in seinem Handy. Das Telefon klingelt, und João ist dran, unser Kranführer aus La Restinga. Einfach nur so, er möchte wissen, ob es uns gut geht. Die Männer quatschen eine halbe Stunde in ihrer gewohnten Weise in nicht-perfektem Spanisch und gebrochenem Englisch. Klappt super. Total nett, wir freuen uns riesig über diesen unerwarteten Anruf. 🙂
Am Tag nach unserer Ankunft werden wir mittags von den Offiziellen der Marina abgeholt zum PCR-Test an Land. Die kommen mit ihrem schnellen Schlauchboot längsseits, der Außenbord-Motor hat schlappe 115 PS. Das geht ab, die Fahrt macht Spaß, wenn man keine Angst hat. Gut organisiert, sehr freundlich. Der nächste PCR-Test ist dann in 6 Tagen fällig.

In der zweiten Nacht schlafen wir nicht so ruhig. Der Wind ist plötzlich komplett weg. Alle Boote im Ankerfeld fangen an zu schwojen. Wir drehen uns an der Kette und liegen mal so und mal anders herum. Die anderen Segler natürlich genauso, weswegen die Distanzen manchmal etwas eng erscheinen. Thomas steht mehrfach auf und schaut, ob unser Anker hält und die Abstände noch stimmen.
Das Test-Ergebnis ( natürlich negativ ) bekommen wir per e-mail zugeschickt und dürfen am nächsten Morgen zum Marina-Office. Dafür müssen wir mit der Walkabout umziehen, kurzfristig machen wir in zweiter Reihe am Steg vor dem Rezeptions-Gebäude die Leinen fest. Einklarieren bedeutet hier, dass wir gleich drei Büros aufsuchen, unseren Papierkram vorlegen und Fragen beantworten müssen. Anmeldung bei der Hafen-Behörde, Immigration und Zoll. Das dauert natürlich seine Zeit, aber alle Beamten sind sehr nett und sprechen zum Glück gutes Englisch.
Danach sind wir frei, die gelbe Quarantäne-Flagge kann abgenommen werden und wir dürfen uns im Ort frei bewegen. Einkauf im Supermarkt ist toll, nach 2 Wochen auf dem Wasser beinahe paradiesische Zustände. Das Preis-Niveau ist allerdings nicht so, wie wir es von den Kanaren gewöhnt sind. Alles erscheint uns relativ teuer. So ganz angekommen sind wir noch nicht in Horta. In der Stadt habe ich ständig Angst, dass ich hier unter’s Auto komme. Viel Verkehr. Mittagessen im Peter Café Sport, das ist DIE In-Kneipe schlechthin, ein Treffpunkt der internationalen Segler-Szene. Endlich gibt es mal wieder richtiges Essen. Aber das war’s dann auch. Zu voll, zu laut, zu geschäftig. Nichts für uns, da suchen wir uns lieber eine von Einheimischen besuchte Bar etwas abseits der Promenade. Kulturschock sozusagen nach unserer langen Zeit auf El Hierro.

Von Marita und Eric erreicht uns ein kleines Musik-Video. Das Blues-Festival auf Santa Maria ist in vollem Gange, und wir sind leider nicht dabei. 🙁
Die Horta-Marina ist mehr als ausgebucht. Wir haben keinen Platz am Fingersteg bekommen, sondern im Päckchen mit anderen Segelbooten, 3. Reihe an der Kaimauer. Null Privatsphäre. Komische Nachbarn. Die können uns von allen Seiten in den Salon gucken. Ganz merkwürdig sind die Öffnungszeiten der Sanitäranlagen. Von 8.00 – 11.30 und von 13.00 – 16.00 Uhr darf man duschen bzw. zur Toilette. Und davor bzw. danach ?  Für uns ist eine Dusche um 15.30 Uhr völlig unsinnig. Wenn wir an Bord sind, dann sind wir beschäftigt, und mein allerbester Arbeiter möchte sich gerne abends den Schmutz abspülen. Sind wir aber nicht tagsüber auf dem Boot, dann machen wir eine längere Tour und sind ganz sicher nicht am frühen Nachmittag schon wieder zurück. Es wird wahrscheinlich keine warme Dusche nach einem langen Wandertag geben. Ein bisschen blöd, spart aber auch Geld. Am Eingang zu den Sanitäranlagen sitzt eine Dame an der Rezeption. Dort muss man 1,55 € pro Person für’s Duschen bezahlen. Es gibt vier Duschen, überall fehlt der Vorhang, kein Wischer zum Trocknen. Also setzen wir die Kabine unter Wasser. Eingeschränkte Zeiten ebenfalls im Waschraum. Kostet außerdem 5,- € pro Waschmaschine und 5,- € pro Trocknergang. Teuer und nicht besonders Service-orientiert. Wir haben zwei Ladungen und werden 20,- € für den Luxus sauberer Wäsche los. Das WLAN in der Marina wird als kostenlos und unverschlüsselt angeboten. Hört sich super an, funktioniert nur leider nicht. Auf Müll-Trennung wird gar kein Wert gelegt, der Abfall aller Boote landet gemischt in großen Containern. Völlig unverständlich. Also noch mehr Punkt-Abzug für den „besten Hafen der Welt“.  

Jolita und Lars sind am selben Tag angekommen wie wir, sogar zwei Stunden früher. Die Pitch-Kin-Dim hatte kurz vor der Einfahrt ein Motor-Problem und musste hier in den Hafen geschleppt werden. Großes Pech, aber dafür gibt es für sie gleich einen Platz am Fingersteg zwecks Reparatur. Thomas guckt sich den Motor an und kommt der Sache auf die Spur. Volvo-Motor, den hatten wir auf der kleinen Walkabout auch, damit kennt er sich aus. Drei Stunden später ist der Anlasser auf der Pitch-Kin-Dim ausgetauscht. Operation gelungen – der Motor läuft wieder. Zum Dank dafür werden wir zum Abendessen ins Peter Café Sport eingeladen. Nette Unterhaltung, leckeres Essen. Vom obligatorischen Gin Tonic bis zum berühmten warmen Schokoladenkuchen ist alles perfekt.
Eine Bestellung bei SVB mit den nötigen Ersatzteilen ist für uns unterwegs. Die wichtigsten Punkte sind die Auspuff-Borddurchführung und das Gummi-Lager für die Welle, dazu noch ein bisschen Kleinkram. Hoffentlich geht es schnell mit der Lieferung und passt.

Am vierten Tag dürfen wir das Schiff verholen. Thomas hat einige Reparaturen zu erledigen, für die wir einen ruhigen Einzelplatz benötigen. Er muss mit einem Dingi von außen an den Wasserauslass des Motors, um unser Problem zu beheben. Mit dem Beamten im Büro hat er ein freundliches Verhältnis, der Herr im Anzug ist uns wohlgesonnen. Also Leinen los und auf einen besseren Platz am Fingersteg umsiedeln. Meine Güte, was ist das eng hier ! Etwas knifflig, aber es klappt im ersten Versuch. Wir sind ein gutes Team. 🙂
Bei Verlust der Einlass-Karte zur Steganlage werden 62,- € fällig. Vorsicht ist also geboten. Strom-Anschluss und Wasser vom Land verlegen, dann haben wir uns endlich einsortiert. Mit diesem Liegeplatz sind wir zufrieden, so mögen wir auch länger bleiben. Nun können wir unseren normalen Alltag beginnen, Brot backen, vernünftig kochen und die weiteren Schritte planen.

Einen ganzen Tag lang wird die Bilge gespült, das Innere der Backskisten, der Motorraum …. Alles ist mit Salzwasser kontaminiert, welches abgepumpt werden, danach mehrfach mit Süßwasser gespült, wieder abgepumpt und nun trocknen muss. Dafür wird unser Keller komplett geöffnet und leer geräumt. Das Salzwasser ist wegen der starken Schiffsbewegungen  bei unserer Bolzerei gegen den Wind bis unter die Bodenbretter geschwappt. Was für eine Sch … Arbeit ! Gute Gelegenheit für eine Bestandsaufnahme, nebenbei werden alle Konservendosen abgewaschen. Zum Ende des Tages haben wir wahrscheinlich das Schiff mit der saubersten Bilge. 😉 Der Abgas-Auslass muss repariert werden. Dadurch wurde unser Problem mit dem Salzwasser-Einbruch verursacht. Diese Reinigungsaktion unterhalb der Wasserlinie möchten wir nicht unbedingt nochmal haben.
Wir brauchen einen neuen Bolzen, der den Großbaum am Mast fixiert. Dafür macht Thomas sich auf die Suche nach einem Schweißer im Ort. Duarte, unser Freund und Helfer von ersten Tag vor Anker, kennt da Jemanden und vermittelt. In zwei Tagen soll das Teil fertig sein. Derweil suche ich den Weg zum Hospital, um den nächsten PCR-Test und eventuell einen Termin für die Covid-Impfung klar zu machen. Alles nicht so einfach. Nach stundenlangem Warten, Hin- und Her-Schicken zwischen den Schaltern, habe ich einen Teil-Erfolg zu vermelden. Wir wissen jetzt, wann wir für den zweiten Test wohin müssen und haben eine Telefonnummer, um uns wegen der Impfung schlau zu fragen.

Es gibt ein kleines Eckchen mit Sand, Steinen und 4 Sonnenschirmen gegenüber vom Fähranleger. Dort gehen wir zum Ende des Tages kurz ins Wasser …. Schwimmen kann man das nicht nennen. Sinn dieser Aktion ist eigentlich die anschließende Dusche am Strand.
Essen beim Chinesen, ein unscheinbares Haus in einer wenig begangenen Seitenstraße. Von außen überhaupt nicht als Restaurant zu erkennen, aber Thomas hat eine gute Nase für chinesische Küche. Wie trauen uns hinein und sind unangenehm berührt. Ein riesiger Saal mit unzähligen Tischen, Bahnhofshallen-Atmosphäre und überhaupt keine Gäste. Mir ist das Lokal suspekt, ich würde am liebsten umdrehen und wieder gehen. Wir werden positiv überrascht, das Essen ist sehr gut und preiswert.

Eine Woche schon auf Faial, und eigentlich haben wir noch nichts von der Insel gesehen. Das macht unzufrieden, deswegen der Vorsatz, am nächsten Morgen auf eine kleine Wanderung in der näheren Umgebung zu starten. Es regnet, sobald wir das Boot verlassen. Kurzer Blickwechsel …. sollen wir oder lieber nicht ? Wir gehen los und werden erst einmal richtig nass. Trotzdem tut es gut, sich zu bewegen. Wir folgen dem Rundweg über die der Stadt vorgelagerte Halbinsel, vorbei am Wal-Museum und einer Kapelle. Weiter geht es hinauf zum Monte de Guia. Beeindruckend ist der Aussichtspunkt Miradouro do Neptuno („Neptun in Horta“), wo an den furchtbaren Sturm vor 25 Jahren erinnert wird, welcher eine bis zu 60 Meter hohe Brandung gegen die Halbinsel geschleudert hat. Unser Rückweg führt über den schönen Strand von Porto Pim, mit den Füßen durch’s Wasser und über weißen Sand. 

Mittwoch früh laufen wir hoch zum Krankenhaus. Der zweite PCR-Test ist fällig. Stehen Schlange vor dem Test-Center, der Nasen- und Rachenabstrich wird schnell und professionell durchgeführt. Am Nachmittag ist das Ergebnis da – schon wieder negativ. Und noch ein Erfolgserlebnis : Durate bringt uns das bestellte Ersatzteil für unseren Großbaum. Nicht ganz günstig, aber solide Arbeit, das wird ewig halten.
Mietwagen sind teuer auf den Azoren, und Faial ist übersichtlich. Daher entscheiden wir uns gegen ein Auto, möchten unsere Ausflüge per Bus oder zu Fuß machen. Es dauert ein paar Tage, bis wir das Bus-System verstanden und die zentrale Haltestelle gefunden haben. Es gibt eine Linie entlang der westlichen Seite der Insel, Dauer ca. eine Stunde. Von dort aus geht es auf der Ostseite entlang der Küste wieder zurück nach Horta, ebenfalls knapp eine Stunde. Für etwa 10,- € bekommen wir bei dieser Rundfahrt mit dem Linienbus einen guten Eindruck von Faial. Nur eine Handvoll Einheimischer fahren über kurze Strecken mit, ansonsten sind wir die einzigen Gäste auf beiden Fahrten. Anscheinend gibt es hier kaum Touristen mit Ausnahme der Segler. Faial ist insgesamt sehr ländlich, hier wird überwiegend Viehwirtschaft betrieben. Kühe, Ziegen, ein paar Hühner laufen entlang der Straße. Aus dem Fenster heraus sehen wir grüne Wiesen, dazwischen einen Dschungel von Bäumen und Sträuchern. Mannshohe Hortensien-Hecken setzen bunte Akzente. Im Juli stehen die Hortensien in voller Blüte. Die überwiegende Farbe ist leuchtend blau, weswegen Faial auch „Ilha Azul“ genannt wird.

Während unserer gestrigen Rundfahrt haben wir im Süd-Westen der Insel ein beeindruckendes Felsmassiv gesehen, welches direkt aus dem Meer aufragt. Das möchten wir uns natürlich aus der Nähe ansehen. Mit dem Bus fahren wir bis Lombega, von wo wir die Route zum Vulkan-Felsen „Morro de Castelo Blanco“ starten. Übersetzt bedeutet das in etwa „Weiße Burg“. Sattgrüne Wiesen und Weideland links und rechts, Wege mit meterhohem Schilfrohr bis zur Steilküste. Das gesamte Gebiet ist ein Natur-Reservat, deswegen kommen wir nur bis zum Fuße des Hügels. Ein deutliches Verbotsschild hindert uns daran, über den Grat weiter nach oben zu klettern. Als ausgewiesenes Schutzgebiet bietet dieser einzelne Felsen paradiesische Zustände für verschiedene Arten von Seevögeln. Macht Sinn, dass wir da nicht herumtrampeln. 😉 Der Rückweg führt uns zum kleinen Flughafen, welcher anscheinend nur die Azoren-Inseln bedient. Die letzten 10 Kilometer auf der vielbefahrenen Straße sparen wir uns, indem wir vom Aeropuerto ein Taxi nach Porto Pim nehmen. Dort möchten wir in eine ganz bestimmte Bar, wo wir Grüße von Alex ausrichten sollen. Aber es ist mega-voll. Drinnen, draußen, alle Tische sind besetzt, sogar auf der Mauer vor der Kneipe sitzen die Gäste dichtgedrängt. Nichts für uns, wir laufen zurück zum Boot und trinken Tee.

Nach wie vor empfinden wir das Segler-Mekka Horta als ziemlich sperrig ( um nicht zu sagen : nervig ). So ganz erschließt sich uns die Schönheit dieser Insel noch nicht. Mal sehen, ob das besser wird, wenn wir Faial in seiner Gesamtheit auf Schusters Rappen erkunden. Wir packen unsere Rucksäcke mit Zelt, Iso-Matten, Schlafsäcken. Am Wochenende werden wir auf eine mehrtägige Wanderung starten.