Wir segeln und wandern durch die Welt

La Palma / Kanaren bis São Miguel / Azoren – 788 Seemeilen

Am 27.05. gegen Mittag lösen wir die Leinen. Die Vorhersagen für’s Wetter zeigen für die nächsten 2-3 Tage westliche Winde an, die möchten wir nutzen. Danach wird es konfus, Flaute, Gegenwind, alles durcheinander. Aber wie sagen wir immer : Das ist Kaffeesatz-Lesen. Langes Warten auf die optimale Wetterlage liegt uns nicht, wir starten einfach und sehen dann unterwegs, was passiert. Unser Freund vom Kompetenzzentrum Hamburg hat ein wachsames Auge und wird uns warnen, falls es ganz dicke kommt. Schön, dass du wieder mit im Boot bist, Henning. 🙂

Eigentlich etwas zu wenig Wind für unser schweres Schiff, das gibt keinen Geschwindigkeitsrekord. Aber so ist es uns zu Anfang lieber, genau richtig für einen sanften Start ohne Seekrankheit. Die Segel werden gesetzt, sobald wir die Abdeckung der Insel hinter uns gelassen haben. Etwas zögerlich nimmt die Walkabout Fahrt auf. Unsere neue Windsteueranlage wird eingestellt, reagiert sofort und hält den Kurs. Auch das Radar wird kurz angestellt und getestet. Thomas funkt einen Frachter in der Nähe an und fragt den Wachhabenden, ob er unser AIS-Signal empfängt. Ja, er kann uns sehen. Alles richtig verkabelt, auch das AIS funktioniert. Sehr gut.
Nach 8 Monaten endlich wieder auf See ! Schönes Wetter, wenig Wind und Welle. Leichte Brise von achtern, das Boot läuft von selber, und wir können uns entspannen.

Tatsächlich gibt es die ersten 3 Tage an Bord nichts zu tun. Wir haben Vollzeug gesetzt, Großsegel, Genua, dazu noch die Fock am Kutterstag. Langsam und gleichmäßig zieht die Walkabout genau auf Kurs dahin. Links und rechts davon sind noch die Wegpunkte aus 2021 und 2022 zu sehen, unsere aktuelle Linie verläuft genau dazwischen. Etmale zwischen 90 und 100 Seemeilen in 24 Stunden. Alles ruhig, keine wilden Schiffsbewegungen, ein angenehmer Einstieg. 🙂

In der vierten Nacht wird es rumpelig an Bord. Wie aus dem Nichts legt der Wind kräftig zu. Dunkle Wolken haben sich aufgetürmt, auf die wir zufahren. Überraschend heftig fällt der Wind über uns her, begleitet von Regengüssen, wie wir sie lange nicht mehr erlebt haben. Eine Schlechtwetter-Front nach der nächsten zieht über uns hinweg. Die See baut sich auf. Unten im Salon wird es ungemütlich. Das geht die ganze Nacht hindurch. Bei Tageslicht sieht die Welt zwar heller aus, aber Wind und Wellen bleiben anstrengend. So kommt es, dass wir 24 Stunden lang mit doppelt gerefftem Groß und nur einem winzigen Stück Tuch vorne segeln. Das Wetter bleibt dynamisch, wie zu erwarten war. Jede Vorhersage sieht anders aus, ein ziemliches Durcheinander.

Donnerstag dreht der Wind auf Nord. Genau da wollen wir hin, also bläst es uns direkt auf die Nase. Wir machen einen langen Schlag nach Osten, wenden am Nachmittag auf den anderen Bug und segeln mit geringer Geschwindigkeit zurück nach Westen. Eigentlich ganz gemütlich. Wenn der Kurs stimmen würde, dann wäre es perfekt. 😉 Durch die Mauer aus Nordwind wollen wir uns nicht durchkämpfen, lieber sind wir einen Tag länger unterwegs. Bereits jetzt hat sich das Gefühl von See-Zustand eingestellt, an dem Zeit und Dauer des Törns unwichtig werden. Das Leben an Bord hat sich wunderbar eingespielt, Schlaf- und Wachrhythmus funktionieren ganz selbstverständlich, als wären wir schon ewig unterwegs. Der sanfte Start hat sicherlich dazu beigetragen, dass wir uns so wohlfühlen. Kurze Passagen liegen uns nicht, das merken wir immer wieder.

Thomas bekommt Besuch von einer niedlichen Schwalbe, 300 Seemeilen vom nächsten Land entfernt. Der kleine Vogel ist ziemlich erschöpft, fliegt eine Weile draußen umher und sucht anscheinend einen ruhigen Platz zum Ausruhen. Dann flattert er ins Deckshaus, ruckelt sich auf dem Regal zurecht, steckt sein Köpfchen unter das Gefieder und schläft eine Runde. Bleiben will er anscheinend nicht, sondern macht sich danach frisch gestärkt wieder auf die Reise.

Auf Starkwind und Winddreher folgt Flaute. Zunächst segeln wir tapfer weiter mit etwa 2 Knoten „Geschwindigkeit“. Irgendwann geht nichts mehr, die Segel schlagen, wir treiben auf spiegelglatter See. Der Motor kommt zum Einsatz. Es folgt eine stockdunkle Nacht, in der rein gar nichts zu sehen ist. Immer nur stur geradeaus steuern und der roten Linie auf dem Plotter folgen. Langweiliger geht es nicht während der Wache, dementsprechend fällt es uns schwer, 4 Stunden gegen die Müdigkeit zu kämpfen.

Neuer Tag, neuer Wind, zwar nur ein leichter Hauch aus Süd-West aber wir nehmen ihn gerne. Segel hoch, Genua raus. Sofort werden wir wieder langsamer, auch der Kurs ist nicht optimal. Trotzdem eine Wohltat, Maschine aus, kein Lärm und Gestank mehr. Man hat die Hände frei, weil die Windpilot den Job des Steuerns übernimmt. Nun muss man auch die Augen nicht mehr konzentriert auf den Bildschirm richten, um auf Kurs zu bleiben, sondern kann den Blick über’s Meer schweifen lassen. Hat sich gelohnt, denn wir entdecken dunkle Körper und den typischen Blas an backbord. In etwa 150 Meter Entfernung tummeln sich ein großer und ein kleinerer Pottwal. Nach ein paar Minuten sieht man sie abtauchen, wobei sie uns ihre gegabelte Schwanzflosse zeigen. Das war’s, die gehen jetzt auf Tiefgang, Schauspiel zu Ende.

Die letzten beiden Tage verlaufen sehr ruhig. Der Wind reicht kaum aus zum Segeln. Es wird mal wieder länger dauern, unser erwartetes Ankunftsdatum verschiebt sich um einen Tag, dann um noch einen weiteren. Macht nichts, wir haben es richtig nett auf dieser Passage. Wunderbar entspannt, es erinnert an unsere erste Atlantik-Überquerung, wo wir die Ruhe und Harmonie auf einem längeren Törn lieben gelernt haben. Endlich Zeit, um ein Buch nach dem anderen zu lesen und sich intensiv mit den weiteren Schritten zu beschäftigen.
Ein einzelner Delfin lässt sich kurz blicken, ganz ohne weitere Gesellschaft und anscheinend nicht zum Spielen aufgelegt. Gelbschnabel-Sturmtaucher umkreisen unser Boot, sobald wir in Küstennähe kommen. Zum ersten Mal auf dieser Reise hängt die Schleppangel draußen. Normalerweise mögen wir unterwegs nicht angeln, außer wir brauchen dringend eine Abwechslung im Speiseplan. Die blutige Schweinerei an Bord, wenn man immer noch unter latenter Seekrankheit leidet, steht meistens nicht im Verhältnis zum Genuss. Aber kurz vor unserer Ankunft passt es. Eine schöne Makrele von ca. 30 Zentimetern Länge beißt an und wird unser Abendessen bereichern.

Nach einer durchweg ruhigen Passage erreichen wir die Marina Ponta Delgada auf der Südseite der Insel São Miguel. Wir haben eine Distanz von 788 Seemeilen zurückgelegt. 100 weniger hätten auch gereicht, wir haben den Weg mal wieder ein bisschen verlängert. 😉 Wir segeln gerne, nicht um anzukommen, sondern weil wir uns ( meistens ) sehr wohl fühlen unterwegs. Diese Überfahrt von den Kanaren zu den Azoren war einfach nur schön. Am liebsten hätten wir gar nicht angehalten, sondern unseren Bug weiter Richtung Norden gehalten. Aber wir haben eine Verabredung, auf die wir uns sehr freuen. Wir möchten unsere Freunde von der Marik in Ponta Delgada treffen. Kennengelernt haben wir uns Anfang 2019 auf El Hierro, und seitdem ist der Kontakt nie abgerissen. Voriges Jahr haben wir darüber gesprochen, dass wir uns im Juni noch einmal auf den Azoren sehen könnten. Toll, dass es Menschen gibt, mit denen so etwas 10 Monate später dann auch wirklich klappt.
Es ist kühl geworden. Socken-Wetter. Der Himmel grau in grau, schlechte Sicht, es nieselt leicht. Ein Sturm ist angesagt, der heute Abend loslegen soll. Bis wir die Marina Ponta Delgada erreichen, hat es sich richtig eingeregnet. Ein winkender Arm im gelben Friesennerz fällt ins Auge. Am Steg stehen Marita und Erik pitschnass im strömenden Regen und warten auf uns, um die Leinen anzunehmen. Was für eine nette Begrüßung ! 🙂