Wir segeln und wandern durch die Welt

São Miguel / Azoren 05.-20.06.2023

Innerhalb der letzten beiden Jahre haben wir bereits einige Wochen auf den Inseln Faial, Pico, Santa Maria und São Jorge verbracht. Mit São Miguel lernen wir unsere 5. Insel des Azoren-Archipels kennen, mit 63,7 km Länge und 16,1 km Breite auch die größte. Auf São Miguel leben etwa 140.000 Menschen, rund die Hälfte davon in der Hauptstadt Ponta Delgada. Unheimlich viel Verkehr. Die Gehwege sind so schmal, dass man nur hintereinander laufen kann und bei Entgegenkommern manchmal auf die Straße ausweichen muss. Diese große Stadt macht mich ganz raschelig.

Dienstag gegen 4.00 Uhr in der Frühe werden wir unsanft geweckt. Es rummst und wackelt heftig. Thomas springt nach draußen. Er ist nicht alleine, viele Bootsbesitzer turnen herum und arbeiten an Fendern und Leinen. Die Walkabout hat sich in einer Windböe dermaßen auf die Seite gelegt, dass der Bug gegen den Steg gedrückt wurde. Nicht schlimm, denn im nächsten Winter ist sowieso ein bisschen Kosmetik und viel Farbe nötig.
Am nächsten Morgen sehen wir, dass im Sturm eine Leine gerissen ist. 50 Knoten Wind, das sind 10 Beaufort. Keiner kann dabei ruhig schlafen, denn das ist selbst in der geschützten Marina ziemlich heftig. Beim Nachbarn nebenan ist eine Klampe am Steg beschädigt, die Marineros sind schon mit der Reparatur beschäftigt.
Ein Segelboot mit völlig zerfetztem Vorsegel kommt in den Hafen. Da ist nicht nur ein Riss oder ein Loch drin, es ist regelrecht in Streifen geschnitten. Offensichtlich hat die Crew die Genua nicht rechtzeitig einreffen können, als der Wind zulegte. Das Groß ist nur etwa zur Hälfte eingeholt, auch da scheint etwas geklemmt zu haben. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was die Leute an Bord bei 10 Windstärken durchgemacht haben. Tags darauf wird ein Katamaran von einem stark motorisierten Schlauchboot in den Hafen geschleppt. Der hatte wohl auch einige Probleme unterwegs. Wir bekommen neue Nachbarn, die während des Sturms in der Horta Marina gelegen haben. Laut ihren Erzählungen haben statt der üblichen Belegung mit ca. 50 Sportbooten in der Nacht von Montag auf Dienstag 150 Segler Schutz im Hafen gesucht. Enger geht es nicht. Da können wir ja froh sein, dass wir nicht dort im Ankerfeld Nachtwache machen mussten.

Auf der Kaimauer gibt es Hafen-Malereien zu sehen. Nicht so zahlreich wie im Segler-Mekka Horta, aber trotzdem ganz nett. Auch unsere Nachbarn von 3 Inseln weiter haben wir im Bild wiedergefunden, die „New Life“ aus Spiekeroog.

In einem Schaukasten an einer Hauswand ist ein erstaunlicher Biotop entstanden. Im feuchtwarmen Klima hinter der Glasscheibe recken sich verschiedene Pflänzchen in die Höhe. Es sieht auf den ersten Blick aus wie eine Poster-Tapete.

Ganz in der Nähe des Hafens gibt es eine Baustelle, wo man Arbeitern beim Pflastern zusehen kann.  Die „Calçada Portuguesa“ ist eine charakteristische portugiesische Wegpflasterung, meist aus weißem Kalkstein und schwarzem Basalt. Speziell ausgebildete Fachleute sind mit dem Klopfen der Steine und dem Legen von kunstvollen Mustern beschäftigt.

Zusammen mit Marita und Erik besuchen wir die Thermalbecken in Furnas. Das Wasser ist aufgrund seines hohen Eisengehaltes braun gefärbt. Mit 37°-38° Grad Temperatur tut es den alten Knochen gut und macht dabei unheimlich müde. Ganz nebenbei erleben wir eine schöne Insel-Rundfahrt per Bus. 90 Minuten Hinfahrt, zurück 100 Minuten auf einer anderen Route, so dass wir einen guten Eindruck von São Miguel bekommen.

Nach 8 gemeinsamen Tagen segelt die Marik weiter nach Terceira. Wir sind eigentlich auch bereit für die Abreise und scharren schon mit den Hufen. Allerdings ist der Wind in den nächsten Tagen gar nicht günstig. Henning schaut sich die Lage daheim am Computer an und gibt uns per e-mail gute Ratschläge. Seine Einschätzung deckt sich mit unserer, die Wetterlage ist gerade blöd. Keine Ambitionen, die Insel ausgiebig zu erkunden, denn mit den Gedanken sind wir bereits auf der Weiterreise und wollen weg. Nein, diesmal nicht mit dem Kopf durch die Wand. Wir lassen die Vernunft walten und üben uns in Geduld.

Thomas klettert bis in die Spitze des Masts und ist zufrieden mit seiner Inspektion. Außerdem bringt er neue bewegliche Backstagen an. Die alten waren überhaupt nicht mehr vertrauenerweckend. Wenn die Dinger ihren Zweck erfüllen sollen, dann müssen sie auch im Ernstfall halten. Das Rigg ist überprüft und die Wanten nachgespannt. Fenster und die Tür des Deckshauses werden neu abgedichtet. Der Jordan Series Drogue ist endgültig fertig gestellt und wird uns zusätzliche Sicherheit bei schwerem Wetter geben. Auf 85 Meter Gesamtlänge sind 126 kleine Kegel eingearbeitet. Damit wird das Heck im Wind gehalten, das Boot im Sturm abgebremst und vor dem Querschlagen bewahrt. Wir hoffen natürlich, dass wir diesen Treibanker nie benutzen müssen. 

Es gibt nichts Wesentliches mehr zu tun, aber wir haben noch eine knappe Woche Zeit in Ponta Delgada. Die nutzen wir für Einkauf und Verstauen von immer mehr Proviant, außerdem erstmalig zum Einkochen von Fleisch für „schlechte Zeiten“. Wir lesen viel Fach-Literatur, geben Anker-Koordinaten im Plotter ein und machen uns mit den Eiskarten vertraut. Funke, Pactor und AIS sind überprüft. Waschen, Putzen, Organisieren, es kommt keine Langeweile auf. Unser Wassertank ist mit 500 Litern randvoll. Nach vielen Monaten Ärger liefert er endlich wieder trinkbares Wasser. Lange Geschichte, aber jetzt ist alles gut. 🙂
Obst und Gemüse haben wir auf dem Markt bestellt, Montag Nachmittag wird pünktlich geliefert, unsere Aufgabe für den Rest des Tages besteht im Sortieren und Verstauen der Kisten. 70 Eier werden kurz blanchiert, damit sie länger haltbar bleiben. Das Abmelden bei den Behörden verläuft super-freundlich und kompetent, wenn auch etwas umständlich. Die letzten Euros sind ausgegeben. Dänische Kronen liegen bereit.

Dienstag, 20. Juni, geht’s endlich los. Der Himmel ist grau, es nieselt. Der Abschied fällt nicht schwer. Auf nach Grönland ! Aller Voraussicht nach werden wir Wind haben. Ein bisschen viel für meinen Geschmack, aber wenigstens stimmt die Richtung, also okay. Wie es dann mit der Erreichbarkeit in Grönland aussieht, das ist fraglich. Mit unseren deutschen und spanischen SIM-Karten werden wir nicht viel anfangen können. Die Internet-Abdeckung wird wohl sowieso sehr eingeschränkt sein, WLAN nur in den größeren Städten. Also nicht wundern, wenn es längere Zeit keine Nachrichten von uns gibt.

Thomas wird versuchen, auf See jeden Tag einen Standort über Funk zu senden. Man findet uns so : www.winkink.org – Select a page – Position Reports  – oben links in der Karte callsign eingeben :  DM1TM . Es öffnet sich ein neues Fenster in der Karte mit unserer zuletzt übermittelten Position.