Wir segeln und wandern durch die Welt

Madeira nach Teneriffa

Start am Dienstag, den 5. Oktober. Gute Bedingungen, Nord-Ost mit 5 Beaufort, das können wir alleine mit der Genua auf steuerbord segeln. Blauer Himmel, Sonne, allerdings unruhige See und blöde Schaukelei. Zu unserer linken Seite liegen die Islas Desertas, unbewohnt mit Ausnahme einer Forschungsstation. Es dauert unheimlich lange, bis die Silhouette von Madeira verschwindet. Selbst abends kann man noch den Lichterschein achteraus erkennen. Tschüss, du große Insel ! Ich freue mich jetzt, dass wir wieder nach Süden segeln. Sprachlich und vom Preisniveau her gefällt es uns auf den Kanaren besser, da fühlen wir uns fast wie zu Hause. Vielleicht werden wir dort sogar nette Bekannte wiedertreffen.
Am Nachmittag kommt der Wind östlicher, wir setzen das gereffte Groß dazu und machen flotte Fahrt auf Kurs 170°. Während des Abendessens tauchen zwei große Schiffe auf, die innerhalb der nächsten Stunde unseren Kurs kreuzen werden. Voraussichtlicher Abstand laut AIS liegt bei 2 bzw. 0,5 Seemeilen. Das bedeutet erhöhte Aufmerksamkeit, die Augen abwechselnd auf den Kartenplotter und das Live-Bild draußen gerichtet. Ich ändere unseren Kurs geringfügig. Ein Fischerboot und ein Frachter von 230 Meter Länge kommen immer näher. Letzterer fährt tatsächlich in knapp einer Seemeile Abstand von backbord nach steuerbord direkt vor unserer Nase durch. Absolut ausreichend, keine Gefahr, aber im Dunkeln sehen die Lichter des riesigen Frachters so nahe ziemlich unheimlich aus. Ansonsten keine besonderen Vorkommnisse. Viel dunkel. Dichte Wolkendecke, kaum Sterne am Himmel zu sehen, eine durchweg finstere Nacht.
Erst um 8.00 Uhr früh wird es hell. Normalerweise würden wir den Wach-Rhythmus jetzt etwas verschieben, damit es ausgeglichener ist und ich keine zwei Dunkel-Wachen habe. Lohnt sich aber gerade nicht, da wir wieder nur 2-3 Nächte unterwegs sein werden. Wind und Wellen werden im Laufe des Vormittags ruhiger. Walkabout wird etwas langsamer, das Leben an Bord bequemer. Vor uns liegen die Ilhas Selvagens, eine kleine unbewohnte Inselgruppe westlich der nordafrikanischen Atlantik-Küste. Wir lassen sie auf der Backbord-Seite liegen und passieren in etwa 5 Seemeilen Distanz zu den Felsen. Die Inseln müssen flach sein, auf diese Entfernung erkennen wir gar nichts. Den ganzen Nachmittag und Abend fahren wir darauf zu, aber für uns bleiben die Ilhas Selvagens unsichtbar.
Die nächste Nacht schwächelt der Wind noch mehr, so dass es Einiges zu tun gibt an den Segeln und der Selbststeuer-Anlage. Zwischendurch fürchten wir fast Flaute, aber nach ein paar Stunden weht wieder eine regelmäßige Brise, die uns mit 4 Knoten voranbringt. Gegen 11.00 Uhr morgens taucht die Nord-Ost-Spitze Teneriffas am Horizont auf. Ganz deutlich sichtbar sind die Umrisse des Anaga-Gebirges auszumachen. Der Schiffsverkehr nimmt zu, jetzt wird es lebhaft um uns herum. Kreuzfahrer und Tanker liegen auf Reede. Eine Nacht wollten wir eigentlich in unserer Lieblings-Bucht den Anker werfen, da wird allerdings nichts draus. Wir sind unangenehm überrascht, denn am Playa de Antequera ankern bereits 7 Segelboote auf engstem Raum. Früher war es an diesem Strand immer sehr einsam. Eigentlich haben wir erst ab Freitag einen Platz in der Marina Santa Cruz reserviert, jedoch genügt ein Telefonanruf, und wir dürfen heute schon kommen. Ein stark motorisiertes Schlauchboot der Policia Maritima kommt uns entgegen. Unser Schiffsname und die Flagge werden notiert. Danach fahren die Offiziellen weiter in die Bucht von Antequera, wo die Ankerlieger gecheckt werden. Alles unter Kontrolle. Wir segeln weitere 10 Seemeilen bis zur Hauptstadt. Ankunft in der Marina gegen 19.00 Uhr, 280 Seemeilen in 56 Stunden. Den Motor haben wir während der ganzen Passage nicht gebraucht, erst kurz vor Ansteuerung der Hafenmole starten wir die Maschine. Sehr gut, schon wieder ein schneller und gelungener Törn. 🙂

Für die erste Nacht bekommen wir einen einsamen Platz ganz außen am neuen Fingersteg „Pantalán 5“ . Der Marinero kann gar nicht glauben, dass wir für die ganze Dauer unseres Aufenthaltes freiwillig hier bleiben und nicht an einen anderen Ort verholen möchten. So haben wir den weitesten Weg zum Büro, zu den Sanitäranlagen und in die City, liegen aber dafür abgeschieden und weit weg vom Verkehrslärm. Einklarieren am nächsten Vormittag klappt nach vorherigem Kontakt per e-mail und Telefon sehr freundlich und problemlos. Schließlich sind wir jetzt schon zum 4. Mal mit dem Boot in Santa Cruz, zuletzt im Dezember 2020. Keine Frage, ob wir geimpft sind, kein Corona-Test, einfach nur Papiere hinlegen und bezahlen . 🙂
Im Jahr 1998 haben wir unseren ersten Wanderurlaub auf Teneriffa gemacht, haben also bereits einige Berge bestiegen. Allerdings sind wir noch nie im Herbst hier gewesen. Sehr schönes Licht, tolle Kontraste. Besonders auffällig sind die scharfen Konturen des Anaga-Gebirges mit seinen zackigen Graten. Von diesem Anblick können wir gar nicht genug bekommen, obwohl die Insel sonst leider total verbaut und überwiegend hässlich ist.

Es gibt die unterschiedlichsten Boote hier in der Marina. Besonders beeindruckend ist ein russischer Trimaran, eher ein Floß mit aufblasbaren Rümpfen, mit 3 Männern als Besatzung. Ihr Projekt soll auf die Entdeckung der Antarktis durch die Russen vor 200 Jahren aufmerksam machen. Diese Expedition startete am 01. Juli dieses Jahres, geplant ist eine Weltumsegelung innerhalb von 2 Jahren. Das Boot ist das einzige auf der Welt in seiner Klasse. Null Platz zum Leben. Während des Marina-Aufenthaltes werden alle Siebensachen ausgelagert und liegen ausgebreitet auf dem Steg. Natürlich gibt es auch Mega-Yachten, deren Besitzer nur mit einem Gläschen Champagner in der Hand auf Ledersesseln im Cockpit sitzen. Unvorstellbar teuer, immer blank poliert. Die Eigner selbst müssen keinen Handschlag an Bord machen, sondern haben mehrere Leute an der Arbeit, meistens sogar noch bezahlte Aufpasser während ihrer Abwesenheit. Aber ob es denen besser geht als uns ? Nein, danke, wir möchten nicht tauschen. Mit unserem Boot können wir uns auch in ärmere Regionen wagen, ohne großen Neid zu erwecken.

Der erste Gang führt zum Afrikanischen Markt. Im unteren Stockwerk gibt es einen Bio-Laden, in dem wir endlich unser langersehntes Getreide zum Selbermachen bekommen. Das letzte Körnerbrot haben wir in Horta auf Faial gebacken. Die ganzen Monate auf den Azoren und auf Madeira haben wir uns auf der Suche nach Roggen und Weizen die Hacken abgelaufen, jedoch ohne Erfolg. Jetzt freuen wir uns sehr darüber, dass es bald wieder gesundes Brot auf der Walkabout geben wird. 🙂
Santa Cruz de Tenerife ist ein Ort, an dem immer laut Krawall gemacht und gegen irgendetwas demonstriert wird. Aktuell ist mitten in der Fußgängerzone eine Zeltstadt aufgebaut. Damit soll auf die Wohnungsnot der Einheimischen aufmerksam gemacht werden. Es gibt einfach keinen bezahlbaren Wohnraum für Normalbürger, alles ist fest in der Hand von Reichen und Zweitwohnungs-Besitzern. Dieselbe Problematik gibt es auch auf Norderney, in Berlin usw. 🙁

Treffen mit Anke und Horst am Samstag Nachmittag. Drei sehr kurzweilige Stunden, die Zeit vergeht wie im Flug. Wie schön, die Beiden wiederzusehen ! 🙂 Total nett, gute Unterhaltung, auch wenn die Umstände gerade nicht so glücklich sind wegen des Vulkanausbruchs auf La Palma.

Sonntag machen wir einen ausgedehnten Bummel über den Flohmarkt „Rastro“. Dort herrschen strenge Sicherheitskontrollen am Eingang, Maskenpflicht, Hygienekonzept, Einbahnstraßen-Regelung und hohe Präsenz der Guardia Civil. Ansonsten verläuft das Leben in der Hauptstadt wieder annähernd normal. Die Kanaren haben zur Zeit eine 7-Tage-Inzidenz von 17, über 80 % der Bevölkerung sind doppelt geimpft. Alle hoffen natürlich, dass die Corona-Situation nach der 5. Welle und mehreren strengen Lockdowns mit Militärbewachung endlich gut bleibt. Wir sind jetzt stolze Besitzer einer 40 Jahre alten Singer-Nähmaschine, das entspricht in etwa dem Alter der Walkabout. 😉