Achteraus ist immer noch die beeindruckende Skyline von Manhatten zu sehen. Weit sind wir noch nicht gekommen. 😉 Beim Hochziehen des Großsegels stellen wir fest, dass die Reffleinen nicht passen. Die stammen aus dem alten Groß, die Leinen aus dem 1. und 3. Reff sind definitiv zu kurz. Bisher hatten wir das neue Großsegel erst ein einziges Mal kurz an der Mooring oben gehabt, die Reffleinen sogar abends im Dunkeln eingeschoren. Thomas verlängert vorerst mit angeknoteten Bändseln. Wind von vorne und kabbelige Wellen. Walkabout macht nur 2,5 Knoten Fahrt, das ist nicht besonders effektiv. Dafür hält das Boot den Kurs am Wind ganz alleine, ohne dass wir steuern. Das neue Großsegel zusammen mit der gebraucht erstandenen Fock scheint ein gutes Duo zu sein. Wir sind sehr zufrieden mit unserem Kauf. Die Strömung sollte eigentlich mit uns sein, ist sie aber nicht. Wir kreuzen mit langen Schlägen im Long Island Sound. Der Weg zum offenen Ozean ist weit. Übermorgen soll es dickes Wetter geben, 7 Beaufort und mehr sind angesagt. Genau zu einem Zeitpunkt, wo wir den geschützten Bereich verlassen, wenn wir so langsam weitersegeln. Dummerweise sind wir dann an einer Stelle mit vielen Untiefen, die wir umschiffen müssen. Ein neuer Plan muss her. Heranpirschen in unserem aktuellen Schneckentempo, eventuell noch eine weitere Nacht vor Anker. Dann schauen wir, ob die Wettervorhersage so bleibt oder ob sich der Starkwind verschoben hat. Wir haben auf Navionics einen Platz am Ende vom Long Island Sound entdeckt, an dem wir uns gut verkriechen und abwarten können …. Begleitet werden wir auf dieser Reise wieder vom Kompetenzzentrum Hamburg. Unser Freund Henning, der ein wachsames Auge auf’s Wetter hat, sagt : „Lasst die Tiefs mal ziehen.“ 😉
Die Küstenwache funkt PAN PAN. „Vessel under Stress“ – Wassereinbruch im Schiff. Andere Boote mischen sich ein, die Kommunikation scheint irgendwie nicht zu klappen. Mittags setzen wir zusätzlich die gereffte Genua. Das bringt uns einen Knoten mehr an Geschwindigkeit, der Kurs bleibt stabil, Walkabout steuert sich selber. Bis jetzt haben wir die Windsteueranlage noch nicht aktiviert. Wir sind noch in der Findungsphase. Alles ist ein Experiment. Es dauert immer eine Weile, bis Segel und Leinenführung optimal eingestellt sind. Die Sonntags-Meldungen auf Kanal 16 sind voller Katastrophen : Mann über Bord, umgekipptes Kayak, sinkendes Schiff, zwei Personen im Wasser, Boot treibt auf Felsen zu …. Es muss an der Menge der Freizeitsportler liegen, die sich hier am Wochenende tummeln : Segler, Angler, schnelle Motorboote, Jet-Ski, Kanus. Warum fallen die denn bloß dauernd ins Wasser ? Im Sommer ist auch an der Nordseeküste zwischen den Inseln eine Menge los, trotzdem hört man nicht mehrmals täglich, dass Leute über Bord gehen. Gegen 16.30 Uhr schläft der Wind ein, wir werden immer langsamer. Segel bleiben stehen, wir starten den Motor zur Unterstützung. „Amerikanisches Segeln“ – sieht man tatsächlich sehr oft in den USA. Stundenlang turnt Thomas wie ein Kletteraffe auf Deck herum. Er bringt weitere Wanten-Schoner an, übt sich im Trimmen der neuen Segel und fädelt passende Reffleinen ein. Bisher hatten wir immer unser bewährtes Ampel-System mit grün, gelb und rot. Rot für „Gefahr“, also viel Wind, das konnten wir uns gut merken. In Zukunft wird das Großsegel auf der Walkabout mit schwarz-weiß, grünen und gelben Leinen gerefft. Umdenken erforderlich, aber das hält den Kopf fit. 😉 Alles sieht richtig gut aus, muss jetzt nur noch unterwegs funktionieren. Wir sind sehr gespannt darauf, wie sich die Walkabout auf der nächsten Passage benimmt.
Bereits um 5.30 Uhr unterwegs. Wir haben uns eine lange Strecke vorgenommen bis zum Ende des Long Islands Sounds, wo wir Schutz vor dem kommenden Starkwind suchen werden. Am Nachmittag müssen wir durch ein Nadelöhr, wo der Gegenstrom in der Spitze 4 Knoten ausmacht. Das entspricht in etwa unserer Reise-Geschwindigkeit. Zwischen diesen Inselchen hindurch schaffen wir es nicht mit unserem 36 PS-Motor, wenn die Strömung von vorne kommt. Das brauchen wir gar nicht erst versuchen. Die Tide kippt, Walkabout wird immer langsamer. Vernunft siegt, wir machen um 16.00 Uhr Feierabend. Der Anker fällt vor Truman Island in knapp 5 Meter Wassertiefe mit 35 Meter Kette. Es scheint so, als ob die US-Küste uns nicht loslassen will. Morgen soll noch ein Sturmtief durchlaufen, das werden wir abwarten und erst Mittwoch „richtig“ in See stechen. Weißer Sandstrand vor der Nase, aber wir gehen nicht an Land, nur einmal kurz über die Badeleiter zum Schwimmen. Kalt ist das Wasser im Nord-Atlantik. Im Liberty State Park und in Port Washington konnten wir wenigstens anschließend noch ordentlich mit Süßwasser abduschen. Ab jetzt gibt es nur noch Salzwasser aus dem Eimer. Wir müssen ein bisschen auf unseren Verbrauch achten. Das letzte Mal war unser Wassertank bereits nach 37 Tagen leer, weil wir unseren Salat immer gründlich gereinigt, mit Süßwasser abgewaschen und uns nach dem abendlichen Bad das Salz von der Haut gespült haben. Wenn wir sparsam sind, dann können wir mit unseren 500 Litern im Tank auch 3 Monate auskommen.
Unangenehmer Schwell während der Nacht. Woher ? Thomas steht auf und setzt sich eine Weile nach draußen, um es herauszufinden. Die Ursache ist nicht so offensichtlich erkennbar. Es müssen große Pötte sein, die weit weg sind, aber trotzdem ständig Wellen zu uns herüberschicken. Morgens früh bläst es mit 6 Windstärken. Das wäre gut machbar, wenn wir nicht zwischen Inselchen und Flachstellen hindurch müssten. Außerdem herrscht bis 11.00 Uhr starke Strömung gegenan, etwa gegen 15.00 Uhr soll dann der Sturm losgehen. 20 Seemeilen bei starkem Wind um die Untiefen zu schippern, das scheint uns nicht ratsam zu sein. Wir üben uns in Geduld und legen ( noch einen ) Gammeltag ein. Es treibt uns ja keiner. Start dann eben erst am Mittwoch. 😉 Gegen Abend wird das Wetter richtig schön. Es sind zwar noch Gewitter angesagt, aber das schlimmste Unwetter scheint durchgezogen zu sein.
Alles ist ruhig geblieben in der Nacht. Die Starkwind-Phasen sind hier zum Glück nie von langer Dauer. Hurricane-Warnungen via Winlink sind aktiviert, die kommen jetzt automatisch in unseren Posteingang. Unser Freund vom Kompetenzzentrum Hamburg passt zusätzlich auf und versorgt uns regelmäßig mit seinen Wetter-Einschätzungen. Danke für deine Begleitung, lieber Hennig. 🙂 Eine Stunde vor Stillwasser starten wir. Nach drei Stunden passieren wir die Engstelle zwischen Plum Island und Gardiners Island. Walkabout läuft mit 7 Knoten, obwohl die Strömung noch lange nicht ihren Höhepunkt erreicht hat. Blauer Himmel, Sonne satt. Vormittags weht nur ein laues Lüftchen. Es soll der heißeste Tag dieser Woche werden. Am Nachmittag setzt sich ein brauchbarer Wind aus Nord-West durch. Schönes Segeln mit Groß und Genua auf backbord. Wir passieren Block Island im Süden. Nach 6 Stunden sind wir endlich „richtig draußen“ und lassen die Küstenlinie der USA hinter uns. Seit Samstag hatten wir entweder zu wenig oder zu viel Wind. Wegen der Strömungs-Verhältnisse haben wir kurze Tage gehabt und regelmäßig früh Feierabend gemacht. So gut vorbereitet und so ausgeschlafen waren wir vermutlich noch nie, denn eigentlich hat man immer bis zum letzten Moment diverse Kleinigkeiten zu erledigen. Dieser Absprung hat lange gedauert, wir sind bereits vier Tage unterwegs seit dem Ablegen in Port Washington. 😉 Vor uns liegen jetzt etwa 2200 Seemeilen über den Nord-Atlantik. Unsere Reise auf dem Ozean beginnt mit Tier-Kino vom Feinsten. 🙂 Delfine schwimmen an backbord neben uns, tauchen unter dem Boot hindurch und springen auf der anderen Seite synchron aus dem Wasser. Wenig später entdecken wir einen Pottwal an steuerbord in etwa 200 Meter Entfernung. Das riesige Tier steigt mehrmals an die Oberfläche, so dass wir es gut erkennen können. Nach einiger Zeit entfernt sich der Wal, wir können nur noch mehrmals den Blas sehen, der hoch in die Luft ausgestoßen wird. 🙂 Gegen 20.30 Uhr habe ich Stress wegen eines Fisch-Trawlers. Der ist 30 Meter lang und rückt uns immer mehr auf die Pelle. Laut AIS wird er bis auf 0,1 Seemeile herankommen. Dieser Abstand ist mir entschieden zu gering, zumal die professionellen Fischer ständig unerwartete Richtungsänderungen vornehmen. Mehrmals versuche ich, über Funk Kontakt aufzunehmen, um den Kurs abzustimmen. „Kathy Marie“ will anscheinend nicht mit uns reden. Ärgerlich. 🙁 Wir müssen die Windsteueranlage aushängen, die Genua einholen und den Motor anstellen, um dem Fischerboot auszuweichen. Danach dauert es eine geraume Weile, bis die Aries wieder eingestellt ist und Walkabout ordentlich in der Spur läuft. Achteraus ist ein wunderschöner Sonnenuntergang zu bewundern. Nicht lange danach steigt vor uns am Horizont der Mond als blutrote Kugel aus dem Meer auf. Viel besser könnte der Start in die erste Nacht nicht sein. 🙂 „Kathy Marie“ nervt noch weitere drei Stunden, indem sie mal langsam, mal schnell fährt, abrupte Kursänderungen vornimmt und sich von achtern nähert. Gegen Mitternacht ist sie endlich hinter unserem Heck durch und gewinnt Abstand. Meine letzte Stunde der Wache ist zäh. Müde.
Vollmond. Helle Nacht. Trotz Müdigkeit kann ich nicht schlafen, alles ist noch ungewohnt, der Kopf ist hellwach. Ich verfluche unseren mit 500 Litern gefüllten Wassertank. Voll bis obenhin erzeugt er sehr unangenehme Geräusche, es schwappt und platscht bei jeder Bewegung laut unter den Deckel. Warum muss man 500 Liter Wasser in einem einzigen Tank bunkern, warum gibt es nicht zwei oder drei separate Behälter ? Und warum sind da keine Schwallbleche drin ? Ich denke nicht zum ersten Mal : Was für eine Fehl-Konstruktion ! 🙁 Beim Wachwechsel um 4.00 Uhr früh sind gleich drei Fisch-Trawler voraus und nähern sich. Schwierig, denen auszuweichen, denn sie verfolgen keine berechenbare Linie. Slalom-Fahrt zwischen den Fischerbooten hindurch, die sich überhaupt nicht an einem kleinen Segler stören. Zwei kann ich abhängen, nur die 40 Meter lange „Miss Emma“ bleibt die ganze Wache über in unserer Nähe. 🙁 Seenebel, schlechte Sicht. Feucht und salzig ist es im Deckshaus, das ist richtige Meeresluft. Kein Wind. Eine Weile „segeln“ wir mit knapp zwei Knoten, dann lässt auch diese schwache Brise nach. Totale Flaute am Vormittag. Delfine bestreiten das Unterhaltungsprogramm, große Tümmler, und davon ganz viele. Mindestens ein Dutzend schwimmen nahe am Boot. Sie sind außer Rand und Band, toben und springen 2-3 Meter hoch aus dem Wasser. Ein tolles Schauspiel, solche Kunststücke bekommt man nicht jeden Tag geboten. 🙂 Gegen Mittag bilden sich Zirren am Himmel. Was bedeuten diese Wolken ? Ich habe anscheinend gerade jede Wetterkunde verlernt. 😉 Ein bisschen Wind wird gerne genommen, auch Regen würde uns gefallen. Bei der Kontrolle des Motors findet Thomas eine tote Kakerlake in der Bilge. Entweder hat die unseren giftigen Köder gefressen und ist daran verendet, oder sie ist in der Pfütze von Diesel-Öl-Gemisch unter dem Motorblock ertrunken. Das ist jetzt „Nummer Fünf“, und tot ist gut. Inzwischen haben wir die Ostküste der USA wirklich hinter uns. Das Gebrabbel in der Funke wird deutlich weniger. Wir müssen uns jetzt nur noch von den Nantucket-Untiefen freihalten, die wir südlich passieren. Thomas versucht, mit Fidi auf Norderney zu funken, aber die Verbindung ist mehr schlecht als recht. Morgen soll es einen neuen Versuch unter anderen Bedingungen geben. Keine Hurricane-Warnungen. Für die nächsten 5 Tage ist nicht mit tropischen Stürmen zu rechnen. Das ist doch sehr beruhigend. 🙂 Lieber ein bisschen langsamer und ein paar Tage länger unterwegs sein, aber dafür entspannt auf den Azoren ankommen.
Draußen wird man klatschnass, auch wenn es gar nicht regnet. Dichter Nebel. Da lobe und liebe ich doch mal wieder unser AIS. So manche unklare Situation wird dadurch berechenbar und sicherer. Einen Tanker von 180 Meter Länge sehe ich z. B. erst ganz spät, obwohl ich dank AIS weiß, dass er da ist, welchen Kurs und welche Geschwindigkeit er fährt. Seine Beleuchtung ist grottenschlecht, im Nebel erst auf kurze Entfernung auszumachen. Weiterhin gibt es nur leichte Winde aus verschiedenen Richtungen. Viel Schiffsverkehr. Nachts läuft der Motor mit. Erst gegen 5.30 Uhr in der Frühe können wir mit Groß und Genua Kurs anlegen. Machen nur 3 Knoten Fahrt, aber viel schneller waren wir unter Maschine auch nicht. Schwierig zu steuern, die Strömung will uns immer versetzen, so dass man Gegenruder geben muss. Um 10.00 Uhr holen wir noch die Fock am inneren Vorstag dazu. Alle drei Segel dichtgeballert und hoch am Wind, so bringen wir es auf 4 Knoten. Die Aries steuert. Heute ist ein guter Tag, sie macht wenig Mätzchen. 🙂 Eine große Delfin-Schule überholt uns auf steuerbord. Die nehmen gar keine Notiz von der Walkabout, sind anscheinend nur auf der Durchreise. Thomas sichtet einen Buckelwal, während ich tief und fest schlafe. Den habe ich wohl leider verpasst. Niemand von uns ist seekrank, natürlich ein Vorteil dieser schwachen Winde. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir ständig auf unserem schaukelnden Zuhause leben und seit der Lamb’s Marina nicht mehr fest am Steg waren. Die Temperaturen werden angenehmer, es gibt sogar „kühle Momente“. Auf jeden Fall beginnt die Sache, uns richtig Spaß zu machen.
Fantastisches Morgenrot, der ganze Himmel im Osten scheint zu glühen. Ein paar Weißseiten-Delfine begrüßen mich und den neuen Tag auf See. 🙂 Von achtern kommt ein riesiger Tanker auf. Der Steuermann hat uns anscheinend gesehen und passiert in anständiger Distanz. Kurz darauf erschrecke ich beim Rundum-Blick, weil ein weiteres großes Schiff plötzlich und unerwartet vor uns auftaucht. Kein AIS, kein Licht. Ein grauer Koloss auf Schleichfahrt, das kann nur ein Militär-Fahrzeug sein. Es kreuzt unseren Kurs und kommt dann in einer halben Seemeile Abstand entgegen. Der Atlantik ist beinahe glatt, gleichmäßiges Heben und Senken, nur ein leichter Hauch ist zu spüren. Wir haben Groß, Fock und Genua zugleich gesetzt, damit trödeln wir langsam weiter. Steuern von Hand, denn diese Feinarbeit ist zu knifflig für unsere Windsteueranlage. Erst am frühen Nachmittag setzt sich Wind durch, der diesen Namen auch verdient. Zunächst aus Süd-Ost und zaghaft, dann dreht er weiter herum auf Süd, Tendenz zunehmend. Endlich genug Druck in den Segeln, Walkabout läuft besseren Kurs, und die Aries übernimmt das Steuern. Fein, fein. 🙂
Während der Nacht ärgern mich erneut zwei Fisch-Trawler. Nur ein einziges AIS-Signal ist auf dem Plotter zu erkennen. „Miss Freya“ verfolgt uns, der versuche ich auszuweichen. Plötzlich taucht wie aus dem Nichts ein helles Licht voraus auf. Ich schaue mir die Situation draußen an : Miss Freya ist immer noch hinter uns. Was ist das denn dann da voraus ? Ich kann die Entfernung überhaupt nicht einschätzen und wecke vorsichtshalber den Käpt’n. Vier Augen sehen mehr als zwei. Auf einmal erscheint ein weiteres AIS-Signal von Fisch-Trawler „Testy“ direkt auf unserer Kurslinie. Aha – das haben die jetzt wohl extra für uns angestellt. Danke, warum nicht gleich so ? Thomas legt sich wieder hin. Eine Weile kann ich die beiden Fischer auf dem Bildschirm beobachten. Dann verlöscht das Licht auf der Testy. Zappenduster ist es jetzt in der Richtung, keinerlei Orientierungspunkt mehr. Ich fahre im Blindflug nur nach Plotter. Inzwischen läuft der Motor, denn ich muss dauernd die Richtung wechseln, um denen nicht in die Quere zu kommen. Drei Stunden lang fahre ich Schlangenlinien zwischen den AIS-Signalen von Miss Freya und Testy hindurch. Das Generve geht bis kurz vor Mitternacht, dann hat sich die Walkabout endlich befreit. Meine Schicht ist zu Ende, anstrengend war es.
Koma-ähnlicher Schlaf bis um 4.00 Uhr. Wo bin ich ? Es weht der richtige Wind aus Süd-West, die Aries steuert. Was will man mehr ? Spaßeshalber haben wir direkten Kurs auf die Insel Faial angelegt, eine lange gerade Linie auf Kurs 110°. Der Plotter gibt die Entfernung von 1700 Seemeilen in direkter Linie bis zum Hafen von Horta an ( falls wir dort einklarieren ). Vielleicht fahren wir aber auch direkt zwei Tage weiter bis zur Insel São Miguel, um dort unsere Freunde Marita und Erik von der „Marik“ zu treffen. An backbord ist deutlicher Blas zu erkennen, zwei Fontänen in etwa 100 Meter Entfernung, ein weiterer Blas kurz dahinter. Da sind gleich drei Buckelwale neben uns an backbord, damit fängt der Tag wieder sehr schön an. 🙂 Zwei bewegen sich nebeneinander in etwa 100 Meter Entfernung, mehr oder weniger synchron. Nach einigen Schwimmzügen über Wasser gehen die beiden vorderen gleichzeitig in den Tief-Tauch-Modus und zeigen beim Eintauchen ihre gegabelte Fluke. Der hintere Wal verschwindet ebenfalls, allerdings weniger spektakulär, ohne uns seine Schwanzflosse zu zeigen. Zwei kleine Vögel, dem Aussehen nach Schwalben, haben sich auf der Walkabout einen Platz zum Ausruhen gesucht. Sie sitzen auf den Maststufen zwischen oberer Saling und Mastspitze. Der Wind wird immer weniger, und das bisschen kommt direkt von vorne. Ostwind, völlig untypisch. Aber was soll’s, wir müssen nehmen, was wir bekommen.
Rabenschwarze Nacht. Der Himmel ist dicht wolkenverhangen. Regen. Den schlimmsten Schiffsverkehr haben wir anscheinend hinter uns gelassen. Wind wird immer weniger. Ab 4.30 Uhr läuft die Maschine, aber selbst unter Motor schaffen wir nur knapp 3 Knoten. Kabbelige Wellen von vorne bremsen uns aus. Was ist hier los ? Wind gegen Strom ? Der Kurs ist schwierig zu steuern, Walkabout läuft sofort aus dem Ruder, wenn man loslässt. Sehr mühsam. Schlecht-Wetter voraus, das ist deutlich zu erkennen. Mal gucken, ob die dunklen Wolken Wind mitbringen …. Okay, ein bisschen aus Nord. Motor aus. Immer noch unruhige See. Nördlich von uns zieht gerade ein Sturmtief durch, weit weg, aber vermutlich bekommen wir gerade die Ausläufer davon zu spüren. Hohe Wellen laufen uns entgegen, das Boot rumpelt. Es ist kaum ein nennenswerter Fortschritt in der Distanz zu erkennen. Ich schaffe in meinen 4 Stunden hart am Wind ganze 8 Seemeilen in Richtung Azoren. Thomas erkämpft durch Kreuzen in seiner Wache insgesamt 9 Seemeilen Strecke, aber nicht in gerader Linie. Mühsam, mühsam. 🙁 Der Luftdruck ist gefallen. Es sind immer noch keine Hurricane-Warnungen aktiv für dieses Gebiet. Alles friedlich, so darf es gerne bleiben. Wir haben schon viele Geschichten von Segler-Bekannten gehört oder gelesen, die auf der Strecke zu den Azoren richtig was auf die Mütze bekommen haben. Wir sind sehr gespannt, was der Nord-Atlantik noch für Überraschungen bereithält. Um 15.00 Uhr Uhr kommt ein Funk-Kontakt mit Fidi auf Norderney zustande. Nicht die weltbeste Verbindung, aber die zwei Amateur-Funker freuen sich. 🙂 Mittlerweile glättet sich das Wellenbild, während die Männer plaudern. Der Wind dreht etwas achterlichter, wir können wieder ganz zaghaft segeln. Geduld – uns geht es gut an Bord. 🙂