Wir segeln und wandern durch die Welt

Rawlins

Rawlins ist eine hässliche Stadt, soweit wir das beurteilen können. Viel Industrie und Baustellen, schmutzig und laut, weite Wege. Aber uns stört das nicht im Geringsten. Wir haben ein Wohlfühl-Zimmer. 🙂 Meine Bluse ist an der Schulter eingerissen. Wen wundert’s nach fast 4 Monaten auf dem Trail, 10-12 Stunden täglich scheuern die Trageriemen vom Rucksack an der Stelle. Auch das T-Shirt von Thomas hat schon wieder mehrere Löcher, die unbedingt genäht werden müssen. Meine Schuhe sind inzwischen in einem Zustand, dass man darüber nachdenken muss, sie demnächst zu ersetzen. Der Oberstoff ist kaputt, das Innenfutter durchgescheuert und ein Teil der Sohle ausgefranst bzw. schon abgerissen. Die Hiking-Boots von Thomas zeigen ebenfalls Abnutzungs-Erscheinungen, obwohl das Material viel stärker ist. Ich habe mir Schulterpolster für meinen Rucksack gekauft. Der Speck ist weg, umso mehr drücken die Träger auf den Knochen. Einige Bänder und Schnallen habe ich rigoros abgeschnitten, weil ich diese Weite auf dem CDT nicht mehr brauchen kann. Danach ist der Rucksack dann wahrscheinlich sowieso hinüber. Beide Wasserfilter müssen ordentlich gespült werden, die sind total verdreckt. Thomas hat ein Loch in meiner Luftmatratze gefunden und repariert. Ich hoffe, das war’s dann, und ich kann wieder durchschlafen, ohne Luft nachzublasen. 🙂 Also viel Heimarbeit – wir verlassen unser Zimmer kaum.
Dienstag schaffen wir es doch endlich bis in die Stadt. Wir verbringen eine Stunde in der Bücherei und lassen unsere Karten für die nächste Etappe drucken. Eine Empfehlung anderer Hiker ist das All-You-Can-Eat im Thai-Restaurant. Wirklich super lecker ! 🙂 Schade, dass der Bauch irgendwann voll ist. 😉 Wir sehen wieder eine Riesenschlange von unzähligen Eisenbahn-Waggons, diesmal sogar mit vier Zugmaschinen. Zwei junge Hirsche liegen völlig entspannt in einem kleinen Park. Unverständlich, dass die sich hier wohlfühlen. Vielleicht werden sie vom grünen Gras angelockt, im Gegensatz dazu gibt es nur braun-gelbe Steppe außerhalb der Stadt. Mittags werden wir von einem heftigen Gewitter überrascht. Blitze zucken direkt über den umgebenden Hügeln, krachender Donner folgt in schneller Folge. Ein heftiger Wolkenbruch, Sturzbäche rinnen die Straßen hinab. Hagelkörner von mehr als 1 cm Durchmesser zwingen uns dazu, uns im Eingang einer Bank unterzustellen. Immer noch besser als diesem Unwetter auf freiem Feld ausgesetzt zu sein.
Die Wäsche wird erst am letzten Vormittag gemacht. Während der Zeit kann Thomas unser Zimmer nicht verlassen, denn er hat nichts mehr zum Anziehen außer einem weißen Handtuch vom Hotel. 😉 Proviant-Einkauf für knapp 200 Kilometer. Wir rechnen 6 – 7 Tage bis nach South Pass City. Dabei achten wir auf mehr Kalorien, aber so schwer wie beim Verlassen von Steamboat Springs soll der Rucksack nicht mehr werden. Auf der nächsten Etappe müssen wir sehr viel Wasser tragen. Vor uns liegt das Great Divide Basin, eine zu- und abflusslose Halbwüste direkt an der kontinentalen Wasserscheide. Hier befindet sich die sogenannte Red Desert, eine rund 24.000 km² umfassende Wüstengegend, die für ihre Sanddünen bekannt ist. Wir freuen uns sehr auf die neuen Herausforderungen und komplett andere Landschaft in Wyoming. Ich war endlich beim Friseur, bin also bereit für die nächste Woche in der Wüste. 🙂