Start Dienstag am Nachmittag bei klarem Himmel und Sonnenschein. Bezahlen können wir leider nicht. Die beiden Arbeiter, die den Hafenmeister vertreten, haben offensichtlich früher Feierabend gemacht als angesagt. Mehrmals streifen wir um die Häuser und über die Steganlage, versuchen es über Funk und über Telefon, erreichen aber Niemanden. Unseren Zettel haben wir ausgefüllt abgegeben, damit müssen die jetzt Kontakt aufnehmen, wenn sie Geld haben möchten.
Der kalte Nordwind plus Regen hat am Festland offensichtlich Schnee gebracht. Vor uns liegen die weißen Berggipfel der Aleuten-Kette. Fantastische Kulisse. 🙂
Die Inselgruppe der Aleuten besteht aus 162 Inselchen. Diese erstrecken sich bogenförmig am Südrand des nordpazifischen Beringmeers von der Alaska-Halbinsel über rund 1750 Kilometer Länge in Richtung Westen bis zu den russischen Kommandeurinseln. Wir haben unseren Kurs südlich der Inselgruppe abgesteckt, möglichst küstennah zur Peninsula Alaska. So können wir schnell auf Wetter-Verschlechterung reagieren und uns eine schützende Ankerbucht suchen.
Der Wind frischt abends kräftig auf. Um 19.00 Uhr wird das erste Reff ins Großsegel gebunden. Zwei Stunden später, gerade als unser Abendessen fertig ist, wird es Zeit für das zweite Reff. Kleine Fock dazu, das reicht. Die Genua werden wir voraussichtlich nicht mehr brauchen, so wie der Wetterbericht für die kommende Woche aussieht.
Scheibchenweise kommt am ersten Tag der Wind. Man sieht es ganz deutlich in unserer Wetterprognose. Immer abwechselnd Streifen von roter und blauer Färbung, je nachdem, wie es durch die Lücken zwischen den Inseln oder zwischen den Berggipfeln hindurch bläst : Viel Wind, gar kein Wind, viel Wind, zu wenig Wind – dazwischen gibt es nichts. Bedeutet viel Aktion an den Segeln und der Windsteueranlage. Ruhe gibt es nicht, es ist immer etwas zu tun. Die Wachen sind anstrengend. Dichtholen, Kurs verstellen, Segel wieder öffnen, Windsteueranlage anpassen, kompletter Wind-Wechsel, Steuern von Hand gegen Wellen und Strömung usw.
Stockfinster ist es zunächst während der Nacht. Ab 23.00 Uhr leuchtet eine schmale Mondsichel am Himmel. Etwas später blitzen Milliarden von Sternen. Ein Fischerboot stört die Idylle. Das ist nur wenig schneller als wir und nähert sich unendlich langsam von achtern. Es braucht eine gefühlte Ewigkeit zum Überholen. Dauert 3 Stunden, dann fahren wir ziemlich lange mit einer halben Seemeile Abstand nebeneinander her. Endlich ist das Fischerboot vorbei und eiert noch eine weitere Stunde vor unserem Bug herum. Nervig. 🙁
Das Wetter in Alaska Mitte Oktober ist unberechenbar. Der Wind ist und bleibt den ganzen Tag unbeständig, von Flaute bis sehr böig ist alles dabei. Abends überlegt er es sich dann und kommt mit 6-7 Beaufort aus Nord-Ost. Von vorne. Am-Wind-Kurs. Das muss doch jetzt nicht sein ! 🙁 Die Wellenhöhe steigt schnell an. Weiß schäumt es zu beiden Seiten der Walkabout, die Gischt spritzt hoch. Wenn ich mir die Rettungsweste anziehe, nur um die Windpilot am Heck zu verstellen, dann ist schon fast Sturm. Über Bord gehen kann ich so nicht, denn ich bin mit dem Sicherungsgurt angepickt. Niemand will verloren gehen, erst recht nicht in der Nacht, wenn der Partner im Salon friedlich schläft. Dummerweise erwischt mich eine Welle, gerade als ich mich nach hinten beuge. Ich bekomme eine volle Ladung ins Kreuz, Faserpelz und Jacke sind durchnässt. Ich weiß schon, warum ich bei solchen Bedingungen nicht gerne nach draußen gehe. Im geschlossenen Deckshaus ist es sicherer und trocken. 😉 Ruppige Fahrt durch die zweite Nacht. Wir werden ordentlich durchgeschaukelt. Wenigstens sind wir schnell. Die ganze Zeit segeln wir nur mit doppelt gerefftem Großsegel und der kleinen Fock, machen dabei konstant 6 Knoten Fahrt. Gemütlich geht anders.
Das Foggy Cape liegt vor uns. Laut Segelanweisungen ist es dort immer neblig, wie der Name schon vermuten lässt. Nach Osten und Süden hin soll es ringsum sehr flach sein, also gut Abstand halten. Es herrscht ein starker Gegenstrom, den wir aktuell mit 2 Knoten auf die Nase kriegen. Dieses Seerevier hat’s in sich, hier wird nichts ausgelassen. Im Golf von Alaska herrscht durchweg Strömung, die nach Westen setzt. Die kommt uns gerade gar nicht gelegen, ist aber leider nicht zu ändern. Was soll’s – auf dieser Etappe ist es uns egal. Die letzten 450 Seemeilen schaffen wir auch noch irgendwie.
Um 3.00 Uhr in der Frühe werde ich geweckt. Es gibt ein neues Problem : Ein Drahtseil von der Radsteuerung ist gerissen. Abgenutzt, Verschleiss. Da muss man sich eigentlich nicht wundern, wo wir doch seit über 4 Monaten fast nur noch im Deckshaus per Rad steuern. Jetzt aber heißt es für mich „Ran an die Pinne“ während der Käpt’n sich an die Arbeit macht. Mitten in der Nacht draußen stehen und steuern ist einfach nur kalt. Thomas verschwindet in den Tiefen der Walkabout und taucht nach 90 Minuten wieder auf. Reparatur erledigt, alles gut. Ich staune immer wieder über meinen Hobby-Handwerker, der solche Sachen ohne zu zögern anpackt und unterwegs auf dem schaukelnden Boot hinkriegt.
Morgens Gegenwind. Wir müssen kreuzen. Am Nachmittag herrscht dafür totale Flaute. Die Maschine wird angestellt. Alte Dünung und 2,5 Knoten Gegenströmung machen uns das Leben schwer. Wir kommen nur mit halber Geschwindigkeit vorwärts. Viel Zeit zum Gucken. Wir können uns gar nicht sattsehen an dieser beeindruckenden Landschaft. Schroffe Berge, die vordere Reihe ist etwas niedriger und besteht aus dunklem Felsen. Die hinteren Gipfel sind deutlich höher. Sie leuchten weiß, sind schon tief mit Schnee bedeckt. Das sieht wirklich toll aus bei Sonnenschein und blauem Himmel. Es macht Lust auf mehr Alaska. Wir freuen uns darauf, diese Küste im nächsten Jahr bei besseren Bedingungen und mit mehr Zeit zu erkunden.
Der Motor läuft nicht so gleichmäßig, wie er sollte. Da ist immer noch oder schon wieder irgendwo Luft im System. Eine Stunde Bastelei am Motor. Der große Dieselfilter wird ausgewechselt und anschließend der Tagestank wieder angehängt. Danach hört es sich besser an.
Abends kämpfen wir immer noch gegen die starke Strömung. Eigentlich wollten wir zum Geographic Harbour in 90 Seemeilen Entfernung am Festland. Bis morgen früh müssen wir einen geschützten Platz erreichen, denn es droht Starkwind. Damit ist nicht zu spaßen in der Shelikof Strait. Dieses Ziel werden wir nicht erreichen, weil wir so langsam sind. Wir ändern unseren Plan und steuern die Ankerbucht Halibut Cove im Süd-Westen der Kodiak Insel an. Bis dahin sind es nur 60 Seemeilen, das sollte klappen.
Ab Mitternacht wendet sich das Blatt. Anscheinend ist die Strömung gekippt. Endlich. Zwischen 5 und 6 Knoten genau auf Kurs, so darf es gerne bleiben. Um 4.00 Uhr beim Wachwechsel stehen wir kurz vor der Halibut Cove. Es läuft gerade so schön, auch das Wetter sieht noch ruhig aus. Erneute Plan-Änderung. Wir entscheiden uns dafür, diese Ankerbucht auszulassen und 35 Seemeilen weiter bis zur Uyak Bay zu ziehen. Walkabout schleicht sich ganz nahe an der Küste entlang. Beim Hellwerden taucht die Landmasse von Kodiak neben uns auf. Es sieht sehr nah aus, wirkt etwas unheimlich.
Um 9.00 Uhr rummst es laut, gefolgt von einigem Gepolter. Nach der ersten Schrecksekunde schauen wir uns um und sehen einen ausgewachsenen Baum achteraus. Der ist uns voll in die Quere gekommen, oder wir ihm. Der Baumstamm ist dick und hat eine Länge von mindestens 2 Metern. Wieder einmal sind wir froh, dass wir ein starkes Stahlschiff haben. Das verzeiht so Einiges. Die Windsteueranlage hat allerdings einen Schlag abbekommen. Das Ruder hängt schief. Eine Plastikschraube, die als Soll-Bruchstelle dient, ist abgebrochen. Soll sie ruhig, dafür ist sie da. Im Ersatzteil-Kit von Peter Förthmann gibt es eine neue Schraube, außerdem haben wir sogar noch die von der kleinen Walkabout.
Die Shelikof Strait ist berühmt-berüchtigt für heftige Winde, starke Tiden und unruhigen Seegang. Kurz vor Mittag kommt der Wind zunehmend von vorne. Das Wasser wird sofort sehr unruhig. Da kann man sich gut vorstellen, was in ein paar Stunden hier an Seegang stehen wird. Nach der Umrundung mehrerer Kaps biegen wir ein in die Uyak Bay. Sofort spürt man den Schutz des Landes, die See wird gleich angenehmer. Bei der Anfahrt zum Ankerplatz lassen wir uns auf Höhe von Seven-Mile-Beach eine halbe Stunde treiben, um das Abendessen zu fangen. Der Meisterangler ist am Werk – innerhalb kürzester Zeit liegen 5 prächtige Schollen im Eimer. Enorm groß, also Filet satt. 🙂
Durch eine schmale Passage zwischen Kodiak und Harvester Island fahren wir bis Uyak Anchorage. Um 13.00 Uhr fällt unser Anker auf 6 Meter Tiefe vor einem Strand mit einigen gut erhaltenen Häusern. Anscheinend zur Zeit nicht bewohnt, es sieht nach Sommer-Residenzen aus. Das Wasser ist glatt, kein Wind zu spüren. Sehr gut, so können wir es ein paar Tage aushalten.
Nur noch 150 Seemeilen bis nach Homer, dann ist es ( hoffentlich ) geschafft.