Wir segeln und wandern durch die Welt

São Jorge / Azoren

São Jorge ist die mittlere Insel der Zentralgruppe. Wir lassen Faial im Süd-Westen hinter uns, Pico begleitet uns auf der rechten Seite. Beide Inseln haben wir letztes Jahr ausgiebig erwandert. Jetzt also Neuland. 🙂 Im Norden liegt die kleine Insel Graciosa, im Nord-Osten Terceira. Auf São Jorge soll das Klima besser sein, etwas kühler, weil es höhere Berge gibt. Ein durchschnittlich 700 Meter hoher Gebirgsrücken bildet das Rückgrat von São Jorge. Höchste Erhebung ist der Pico da Esperança mit 1.053 Metern. Die Insel ist 54 Kilometer lang, knapp 7 Kilometer breit und hat eine Gesamtfläche von 244 Km². 8500 Menschen leben hier. Zu den Besonderheiten der Insel gehören die Fajãs, kleine Küstenebenen am Fuße der 400 bis 700 m hohen Steilküste. Der Begriff „Fajã“ steht im Portugiesischen für eine in den Ozean reichende Landzunge. Im Falle der Azoren sind diese meist durch Erdrutsche an der Steilküste entstanden. An anderer Stelle wurden Fajãs z.B. auch durch ins Meer laufende Lava geboren. Nach dem Ausschlafen paddeln wir mit dem Dingi in den Hafen. Weit kommen wir nicht, denn es gibt zunächst eine herzliche Begrüßung und leckeren Kaffee auf der Marik. Danach geht es zum Einklarieren. Der Hafenmeister ist ein Sonnenschein, die Sekretärin im Büro ebenfalls freundlich, kompetent und hübsch. Beste Sanitäranlagen seit Tazacorte. 🙂 Die Marina in Velas ist knüppelvoll, wir bevorzugen die Privatsphäre am Anker. Martina und Lothar, die wir letztes Jahr auf den Azoren kennengelernt haben, sind auch da. Ihre „Gersvind“ liegt nicht weit entfernt im Ankerfeld.

Erster Rundgang durch die Stadt, Einkaufen, am Nachmittag spontaner Termin beim Friseur. Abends gehen wir zum Essen aus. Marita und Erik haben ein ganz besonderes Restaurant ausgesucht, in dem von den Pommes bis zum Eis-Dessert alles hausgemacht ist. Bei Anbruch der Dunkelheit fangen unzählige Gelbschnabel-Sturmtaucher an zu krakeelen. Das sind entfernte Verwandte der Albatrosse. Eine ganze Kolonie der sog. Cagarros lebt im Felshang direkt neben unserem Ankerplatz. Brütende Vögel, die am Tage weit draußen auf dem Meer auf Nahrungssuche sind, kehren in der Dämmerung zurück. Ihr Geschrei ist die ganze Nacht hindurch zu hören. Das Küken schlüpft ca. Mitte Juli, gut versteckt in einer Vulkanröhre oder einer Felsspalte. Die Elterntiere jagen tagsüber auf dem Meer nach Fischen und Krebstieren. Erst im Schutze der Dämmerung kehren sie zurück, um ihren Nachwuchs zu füttern. Das ist die Zeit der seltsamen Rufe.

Wir möchten eine kleine Erkundungstour machen. Der erste Versuch endet an einem umgestürzten Baum, dahinter ist kein Durchkommen mehr. Danach steigen wir durch den Botanischen Garten auf, steil und rutschig. Den Abstecher zum Natur-Schwimmbecken sparen wir uns, es ist viel zu heiß und zu staubig. Hierhin können wir an einem anderen Tag vom Ankerplatz aus mit dem Dingi paddeln, wenn es nicht zu windig ist. Gesagt, getan …. Unser Ausflug mit dem Beiboot wird nicht besonders spannend. Kein Mensch an der Badestelle, zudem ist das Wasser schmutziger als am Ankerplatz. Da steht nur ein einziges Auto, darin sitzt ein Einheimischer, der augenscheinlich auf Feierabend wartet. Ein freundlicher Hund läuft frei herum und bettelt um Streicheleinheiten.

Am nächsten Tag steigen wir in den Bus nach Norte Pequeno und unternehmen zusammen mit Marita eine anstrengende Tour auf dem Wanderweg 06. Wilder Ingwer, Pfefferminze, kleine Erdbeeren und natürlich Hortensien entlang des Weges. Letztere sind mehr als mannshoch, sie wachsen als Hecken zwischen den Feldern oder wie Mauern entlang der Straße. Ein matschiger Pfad führt steil und rutschig bergab. Unten an der Küste liegt die Fajã das Funduras. Sie besteht aus einem schmucken Gehöft mit Nebengebäuden. Ein kleines Häuschen aus längst vergangenen Tagen steht etwas abseits. Wirklich urig, sehr gut erhalten und voll eingerichtet. Der Platz vor der Hütte lädt mit Tisch und originellen Holz-Schemeln zur Pause ein. 500 Höhenmeter abgestiegen, die müssen wir natürlich wieder hinauf bis nach Norte Pequeño. Langweilig und zäh ist der Rückweg auf einer Schotterstraße. Samstag abends scheinen viele Taxi-Fahrer nicht zu arbeiten, es braucht ein Dutzend Telefonate und eine Stunde Wartezeit. Gegen 20.00 Uhr kommen wir erschöpft am Hafen an, schwimmen noch eine Runde um’s Boot und legen die Füße hoch.

Der nächste Ausflug findet zu Viert statt. Mit dem Mittags-Bus fahren wir nach Ponta und machen eine Wanderung zur westlichen Spitze der Insel. Diese Region ist Naturschutzgebiet, ein wichtiges Nistgebiet für Seevögel wie Sturmtaucher und Mäusebussarde. Wir laufen bis zum Leuchtturm von Rosais, der auf 200 Meter hohen Klippen steht. Von einer Mauer am Abhang können wir Delfine vor der Küste beobachten. Anschließend steigen wir die Stufen hoch zu einer alten Station für Wal-Beobachtung. Tolle Ausblicke Richtung Meer, die Nachbarinseln sind allgegenwärtig. Unsere Wanderung endet am Parque Forestal Sete Funte, einem hübsch angelegten Park, wo wir einen überdachten Pavillon für unser Picknick finden. Von dort lassen wir uns mit einem Taxi abbergen.

Marita und Erik haben einen Leihwagen organisiert, mit dem wir an einem Tag die ganze Insel kennenlernen. Erster Stopp in Beira an der Käse-Fabrik, welche lokale Milchprodukte anbietet, die erstaunlich günstig verkauft werden. Danach geht es weiter entlang der Südküste. Hohe Hortensien-Hecken begrenzen die Fahrbahn zu beiden Seiten. Pause in Calheta, der „Kreisstadt“ des Ostens. Der Kaffee ist ausgesprochen lecker und kostet nur 80 Cent, so dass man gerne noch eine zweite Tasse trinkt. Gegen Mittag machen wir eine schöne Rast an der Fajã dos Vimes, bekannt für ihre Kaffee-Plantage. Auch hier beherrscht der Gipfel des Pico auf der gleichnamigen Insel das Bild. Von dort fahren wir bis zum östlichen Ende der Insel. Die Straße führt steil bergab bis zum kleinen Hafen von Topo. Ein lustiges Verkehrsschild weist darauf hin, dass die Straße abschüssig ist und man im Wasser landet, wenn das Auto nicht rechtzeitig zum Stoppen kommt. 😉 Von dort aus geht die Fahrt an die Nordseite zur Fajã dos Cubres, die wir uns als Ausflugsziel für eine der nächsten Wanderungen ausgesucht haben. Eine schmale Straße führt hinunter, so können wir uns einen ersten Eindruck verschaffen. Dort gibt es zwei Buden, einen Taxistand, saubere Sanitäranlagen – gut zu wissen. Wir machen einen schönen Spaziergang auf wenig begangenen Pfaden durch Vogelschutzgebiet. Zwei Lagunen, dichte  Vegetation und verfallene Hütten bieten ein ideales Revier für die zahlreichen Seevögel. Für den Heimweg nehmen wir die Hauptstraße auf der Nordseite, fahren durch kleine und noch kleinere Ortschaften. Das Auto nutzen wir noch für einen gemeinsamen Einkauf im Supermarkt. Danach zieht es uns nach Hause. Genug für einen Tag. Mehr können wir nicht aufnehmen.

Die wohl bekannteste Wanderung auf São Jorge führt von der Serra da Topo hinunter zur Fajã da Caldeira de Santo Cristo und weiter zur Fajã dos Cubres. Ein kleiner Wasserfall liegt am Wegesrand. 700 Höhenmeter steigen wir auf einem Trampelpfad von den Bergen hinab zur Küste. Unterwegs bietet sich immer wieder schöne Aussicht auf die Nachbarinseln Terceira und Graciosa. Die kleine Ortschaft Caldeira ist bekannt für ihre Muscheln, die in einer Meerwasser-Lagune gedeihen. Vor einigen Jahren war das Dorf beinahe verlassen, jetzt wird es durch Surfer und Öko-Tourismus wiederbelebt. Zwei kleine Jungs sind sehr geschäftstüchtig, sie haben einen Verkaufsstand für bemalte Muscheln aufgebaut. Reizende Kinder, sie sprechen gutes Englisch. Marita kauft ihnen ein paar hübsche Stücke ab. 🙂 Wir haben ungefähr die Hälfte der Strecke geschafft, der Weg war schwieriger als erwartet. Auf einer Mauer am Kirchplatz wird das Picknick für Vier aufgebaut. Anschließend geht es weiter entlang der Nordküste an der Fajã do Belo vorbei. Diese Ansiedlung wurde 1980 durch ein Erdbeben völlig zerstört und verlassen. Heute wohnen hier keine Einheimischen, aber neue Steinhäuser wurden gebaut und ansprechend für Gäste hergerichtet. Unsere Wanderung endet an der Fajã dos Cubres, deren Umgebung wir vor einigen Tagen bereits genauer erkundet haben. Vor einer Imbissbude lassen wir uns auf die Plastikstühle fallen und laden die Batterien mit heißen und kalten Getränken auf. Das vorbestellte Taxi bringt Marita und Erik zurück zum Hafen, wir fahren mit bis nach Norte Pequeño. Von da aus beginnt unser Aufstieg, weil wir den Heimweg zu Fuß machen möchten. Zelt, Isomatten, Schlafsäcke sind dabei.

Die längste Wanderung auf São Jorge führt entlang der Bergkette durch den zentralen Bereich der Insel. Unsere Route beginnt mit dem Pico Alto, verläuft dann um den Pico Bernardino und den Pico do Areeiro herum. Mehrere runde Kraterseen mit grün zugewachsenen Oberflächen sind zu bestaunen. Wir klettern auf den Pico da Esperança, den mit 1.053 Metern höchsten Gipfel der Insel. Dort umrunden wir den Krater auf einer schmalen Spur, immer mit Blick auf den grünen See in seinem Inneren. Es folgen der Pico Montoso, der Pico da Junca, der Pico Verde. Die große São Jorge-Tour endet am Pico do Pedro. Wir bleiben aber noch weiter auf dem Höhenkamm und umwandern den Pico das Calderinhas. Etliche grüne Hügel mit Kühen und Hortensien-Hecken später erreichen wir einen kleinen Botanischen Garten, wo wir kurz Pause machen. Es ist 16.00 Uhr am Nachmittag, und es kommt uns so vor, als hätten wir genug. Bei der Standort-Bestimmung stellen wir fest, dass wir zu schnell bzw. zu weit gelaufen sind. Es sind nur 10 Kilometer bis zum Ort Santo Amaro, von dort aus noch weitere 5 Kilometer bis nach Velas. Gegen 18.30 Uhr sind wir wieder „zu Hause“ auf der Walkabout. Unsere Muskeln schmerzen. Etwa 30 Kilometer in leichtem Gelände, aber wir sind nicht mehr im Training, mehr Segler als Hiker. 😉

Rückenschmerzen, Muskelkater und allgemeine Schlappheit sind das Ergebnis dieser Wanderung. Keine Motivation für weitere Ausflüge. Eigentlich haben wir alles gesehen und gemacht, die Insel São Jorge gut kennengelernt. Wetterberichte werden gecheckt, es folgt der letzte Einkauf im Supermarkt, Abmelden und Bezahlen. Unser nettes Restaurant oben im Dorf ist leider geschlossen, deswegen gibt es ein Abschiedsessen im Clube Naval direkt am Hafen. Morgen werden sich unsere Wege trennen : Marik segelt nach São Miguel, Walkabout nimmt Kurs auf die südlichste Azoreninsel Santa Maria.