Wir segeln und wandern durch die Welt

Steamboat Springs bis Battle Pass – Encampment 05.08. – 10.08.2017

Steamboat Springs ist schon eine richtige Stadt mit ca. 12.000 Einwohnern und einer der populärsten Wintersport-Orte der Vereinigten Staaten. Für uns sind allerdings nur die Supermärkte interessant, die von unserem weit außerhalb gelegenen Motel bequem per Bus zu erreichen sind. In letzter Zeit fühlen wir uns oft erschöpft und energielos. Wir haben in der ersten Hälfte des Continental Divide Trails sehr viel an Gewicht abgenommen. Das kann so nicht weitergehen. Nach reiflicher Überlegung haben wir uns dazu entschlossen, unseren Speiseplan zu ändern. Mehr Kalorien müssen her, denn wir verbrauchen an einem durchschnittlichen Lauftag etwa 5000 – 6000 Kcal. – die kann man unterwegs gar nicht abdecken. Also gibt es ab sofort hochwertigeres Essen, mehr Zwischenmahlzeiten, ein paar weitere Extras ….. Ein Futterbeutel pro Person reicht nicht mehr. Das führt unweigerlich zu einem Rucksack, der mich fast in die Knie zwingt. Mal sehen, wie uns die erhöhte Kalorien-Zufuhr bekommt.
Wir müssen zurück zum Rabbit Ears Pass, was sich heute etwas kompliziert gestaltet. Zunächst fahren wir mit dem Bus so weit wie möglich aus der Stadt heraus bis zum Highway 40. Von dort sind es noch etwa 30 Kilometer bis zum Trailhead, aber was vorgestern nur eine halbe Stunde gedauert hat, dafür brauchen wir diesmal 4 verschiedene Autos und mehr als 3 Stunden Zeit. Der erste Wagen hält ziemlich bald. Am Steuer ein junger Mann mit Kurz-Haarschnitt und einigen langen Rasta-Zöpfen darin. Da er ein hübsches Gesicht dazu hat, sieht das sogar gut aus. Musiker, eine Elektro-Gitarre und zwei dicke Boxen im Auto. Leider muss er bald abbiegen, aber er bringt uns zu einer Stelle, wo wir besser trampen können. Schon nach ein paar Minuten hält ein Jeep, und der Fahrer bedeutet uns, dass wir auf die Ladefläche klettern sollen. Okay, machen wir, und los geht die zugige Fahrt. Wir sitzen zwischen Müll, Werkzeug und Altkleider-Säcken. Der Typ hat einen merkwürdigen Fahrstil, scheint irgendwie nicht ganz frisch zu sein. Nach wenigen Kilometern hält er irgendwo auf dem Highway an und lässt uns aussteigen. Beim Verabschieden merken wir, dass er voll breit ist. Naja, wir haben es überlebt, aber viel weitergebracht hat uns die Fahrt auch nicht. Nun stehen wir lange dort im Niemandsland. Bin ganz schön genervt, weil so viele Autos vorbeifahren, aber keiner hält. Aber man darf nicht aufgeben. Ein schicker Wagen stoppt, sauber und ordentlich. Am Steuer sitzt Patrick, ein Kletter-Trainer. Sehr nett, da steigen wir doch gerne ein. Leider kann uns auch Patrick nicht bis zu unserem Trailhead bringen, weil er einen Termin mit seiner Kletter-Gruppe hat. Aber er verspricht uns, dass er uns nach seiner Unterrichts-Stunde weiter bringt, wenn wir dann immer noch an der Straße stehen. Ist nicht nötig, denn eine halbe Stunde später werden wir von unserem vierten Auto mitgenommen. Oh weia, der Bulli ist total zugemüllt. Mitten zwischen dem ganzen Zeug liegt ein alter Hund. Ich ziehe es vor, mich zu dem Hund nach hinten zu hocken und überlasse Thomas die Konservation. Vorne sitzt ein ungepflegter Mann mit stechenden Augen. Marty erzählt uns, dass er in einer Garage wohnt, weil es billiger ist als eine Wohnung zu mieten. Und dass er vor einer Woche Bow-Leg mitgenommen hat. Der hat sogar eine Nacht bei ihm in der Garage geschlafen. Auch Marty fährt total ungleichmäßig und fuchtelt dabei wild mit den Armen herum. Hilfe – schon wieder ein Irrer ! Aber wir kommen heile an – hat auch lange genug gedauert. Dazu fällt mir ein Spruch von Erich Kästner ein, den mir mein Vater ins Poesie-Album geschrieben hat, als ich gerade mal 8 Jahre alt war :
“ Wird’s besser ? Wird’s schlimmer ?
fragt man alljährlich.
Seien wir ehrlich :
Leben ist immer lebensgefährlich. “
Wir starten erst um 15.00 Uhr in den Routt Forest. Ein sehr schöner Wanderweg führt am Dumont Lake vorbei, grüne Wiesen und bunte Sommerblumen säumen die Ufer. Besonders dominant sind die Pfingst-Röschen, überall sind Felder voller lila Blüten zu sehen. Hübsch. 🙂 Wir sind gerade erst eine Stunde unterwegs, da kommt uns eine Familie mit zwei Töchtern und Hund entgegen. Eines der kleinen Mädchen erzählt uns von „Eis-Bällen“. Wenig später wissen wir, was sie damit gemeint hat. Dunkle Wolken kommen schnell näher, es fängt an zu regnen. Bald darauf gibt es Blitz und krachenden Donner, das Gewitter entlädt sich direkt über uns. Dann fallen die „Eis-Bälle“ vom Himmel. Hagelkörner so groß, dass es nicht nur im Gesicht und an den Händen wehtut. Das Prasseln des Hagels schmerzt trotz Poncho und Kapuze auf den Schultern und auf dem Kopf. Es bleibt uns nichts Anderes übrig, als unter ein paar Bäumen wenigstens ein bisschen Schutz zu suchen. Die Hagelkörner bleiben liegen, füllen den Weg mit weißem Schneematsch. Sofort sind die Schuhe total durchnässt, und die Luft-Temperatur fällt deutlich. Da kann man Handschuhe gebrauchen, und die Füße sind gleich eiskalt. Wir steuern den ersten einigermaßen geschützten Platz an und bauen schon um 18.00 Uhr das Zelt auf. Thomas holt Wasser aus dem nahegelegenen See. Vom Wasser steigen wegen des starken Temperatur-Unterschiedes dichte Nebelschwaden auf. Das sieht richtig gespenstisch aus. Unser Wasser in den Flaschen fühlt sich wärmer an als die Außen-Temperatur. Heute sind wir nicht weit gekommen. Nur drei Stunden gelaufen, aber alle Klamotten sind nass. Immerhin sind wir wieder unterwegs. Der Wetterbericht für die nächsten Tage sieht gar nicht gut aus : Regen, Regen und noch mehr Regen. 🙁

Die ganze Nacht hindurch hat es auf unser Zelt getropft. Morgens ist alles klamm und kalt. In unseren Schuhen haben sich Pfützen gebildet. Auch die Hiking-Kleidung ist noch nass. Die Motivation zum Aufstehen ist nicht besonders groß. Erstmal hinein in die nassen Sachen und schnell zusammenpacken, beim Laufen wird uns dann schnell warm. Der Trail steht zum Teil unter Wasser, die Hagelkörner von gestern sind über Nacht nicht weggeschmolzen. Auch das Gras und die Büsche sind so früh noch tropfnass. Aber schon bald setzt sich die Sonne durch. Wir kommen an einem kleinen Teich vorbei, der voller Seerosen ist. Einige Blüten sind bereits vollständig geöffnet, andere brauchen wohl noch ein paar mehr Sonnenstrahlen. Es sind ausschließlich gelbe Seerosen zu sehen. Leider gibt es kein Foto, denn das Handy ist wasserdicht weggepackt. Während der Mittagspause bauen wir das Zelt auf und bekommen unser ganzes Zeug wieder trocken. Dann erreichen wir die Mount Zirkel Wilderness, in deren Gebiet wir die nächsten Tage wandern werden. Zu beiden Seiten unseres Weges liegen idyllische Seen, wahrscheinlich ein Paradies für Angler. Zunächst steigen wir etwas auf, um dann einem schmalen Pfad viele Stunden auf einer Hochebene zu folgen. Leichtes Gelände, in dem wir gut vorankommen. Hier gibt es sogar wieder CDT-Zeichen oder Steinmännchen. Wir laufen jetzt auf dem Wyoming-Trail, der uns hoffentlich bis zur Grenze bringen wird. Immer ganz knapp an der Baumgrenze entlang, viel offenes Gelände. Uns gefällt es in den hohen Lagen immer besonders gut. Alpine Landschaft mit Felsen jeder Form und Größe, an einigen Bergen gibt es noch dicke Mauern aus Schnee. Wir überqueren den Buffalo Pass und haben zum Abend hin weitere 300 Höhenmeter Aufstieg zu bewältigen. Aber alles schön gemäßigt, gar kein Vergleich mit den hohen Bergen der letzten Wochen. Ohne große Anstrengung haben wir 32 Kilometer geschafft. Auf der anderen Seite des Hügels finden wir einen geschützten Platz nahe an einem See. Hier gibt es nur niedrige Krüppel-Bäume, die sich vor dem kalten Wind ducken. Aber das Wetter sieht ruhig aus, kein Gewitter am Nachmittag, die dunklen Wolken sind vorbeigezogen. Ein fast perfekter Tag …. und wieder ein Steinpilz-Tag. 😉

Die Nacht war klar und frisch in mehr als 3500 Höhe. Wir haben Vollmond, der das Zelt hell erleuchtet. Am frühen Morgen hört Thomas, dass ein großes Tier in unserem Lager herumstapft. Bei uns gibt es nichts zu holen, die Vorräte hängen weit weg im Baum. Aber es war kein Bär, er sieht einen ausgewachsenen Elk davonspringen. Beim Aufstehen ist der Himmel grau in grau. Zunächst verläuft unser Trail einige Kilometer auf der Hochebene. Landschaftlich sehr reizvoll, aber auch schön einfach zu gehen. Völlig unerwartet müssen wir noch durch zwei Felder mit hartem Schnee stapfen. Wir fragen uns, ob das übrig gebliebener Schnee von diesem Jahr ist, oder ob der vielleicht schon mehrere Jahre alt ist und gar nicht wegschmilzt. Dort, wo der Schnee gerade erst getaut ist, da laufen wir wie durch ein Sumpfgebiet. Ein fettes Auerhuhn geht im Geröll spazieren, leider sind keine Küken in Sicht. Dann folgt ein steiler Abstieg, es geht 1000 Höhenmeter abwärts. Wegen der dunklen Wolken voraus machen wir eine frühe Mittagspause. Das war eine gute Entscheidung, denn schon eine halbe Stunde später donnert und blitzt es über uns. Anfangs nieselt es nur leicht, aber bald wird daraus hartnäckiger Regen. Schon steht das Wasser wieder in den Schuhen. Drei Stunden lang Gewitter, untypisch lange, dann kurze Pause, bis es wieder anfängt zu tröpfeln. Heute ist ein Tag mit Regen ohne Unterlass. Keine Chance auf Sonne, um die Sachen wieder trocken zu kriegen. Den ganzen Nachmittag über wandern wir durch ein Gebiet, in dem es großflächig gebrannt haben muss. Unzählige angekohlte Baumstämme ohne Äste ragen traurig in die Luft. Die Natur hilft sich selbst, junge Birken und kleine Kiefern wachsen bereits nach. Aber im Moment sieht die ganze Gegend ziemlich trostlos aus. Wir treffen keinen Menschen, sehen aber auch keine Tiere mehr für den Rest des Tages. Es gibt wilde Himbeeren am Wegesrand. Klein, hellrot, nicht ganz so süß, aber sehr lecker. Am Abend kreuzt unser Weg eine Straße, um auf der gegenüberliegenden Seite wieder hinauf in den Wald zu führen. Aber genau an der Stelle steht ein Schild, auf der eine Umleitung empfohlen wird. Man soll nicht den Original-Trail nehmen, da dieser stark beschädigt und zugewachsen ist. Empfohlen wird, diese Strecke auf der Straße zu umgehen. Aber die Brücke, die zu dieser Straße führt, ist gesperrt, weil wohl nicht mehr verkehrstüchtig. Ein dicker Baumstamm liegt von einer Seite zur anderen über dem Fluss, aber da balancieren wir lieber nicht drüber, wenn es so nass und rutschig ist. Die Brücke hat Metallträger, die garantiert halten, auch wenn das Holz morsch und brüchig ist. Wir laufen sicher über die Brücke und finden am anderen Ufer des Flusses einen fast trockenen Zeltplatz unter Bäumen. Uns reicht es. Wir sind 30 Kilometer gelaufen, davon mehr als die Hälfte im Regen, den ganzen Tag nasse Füße, es ist kalt. Mit der Umleitung über die Straße können wir uns dann morgen beschäftigen. So schlechtes Wetter hatten wir eigentlich noch nie unterwegs. Wir trösten uns damit, dass dieses kein verfrühter Wintereinbruch ist. Bald laufen wir in der Wüste, da wird es uns schon wieder warm werden. 😉

Die sogenannte Straße, auf der wir umgeleitet werden, ist eine schon lange nicht mehr genutzte Schotterpiste. Dicke Steine, Schlaglöcher und vom Regen ausgewaschene tiefe Rinnen. In einer Bodensenke gibt es sogar fließendes Wasser. Ein kleiner Fluss hat die Schotterstraße komplett überspült. Es ist erstaunlich tief, so dass wir nach einer geeigneten Stelle zum Überqueren suchen. Ein Stückchen oberhalb der Senke scheint es möglich zu sein. Aber dafür müssen wir uns durch nasse Sträucher zwängen und unter tropfenden Bäumen hindurch. Bei dieser Aktion werden wir richtig nass, nur die Schuhe eben nicht. Anschließend geht es auf Trittsteinen trockenen Fußes auf die andere Seite. Kein Auto fährt hier, keine Menschen in Sicht. Nur ein Reh erscheint hinter einer Kurve. Es ist völlig entspannt und läuft uns sogar ein Stück auf dem Weg entgegen. Nach der Umleitung treffen wir wieder auf den Wyoming-Trail, der natürlich stetig bergauf führt. Auf einem sonnigen Abschnitt können wir reichlich Himbeeren ernten. Die sind so reif, dass sie uns beinahe in die Hand fallen. Dafür lohnt es sich, die Rucksäcke abzusatteln und eine halbe Stunde zu futtern. Zwischen den Himbeeren stehen einzelne Johannisbeer-Sträucher. Auch die Johannisbeeren sind reif und sehr schmackhaft. So haben wir zwar Einiges an Zeit verloren, aber dafür eine leckere und vitaminreiche Zwischen-Mahlzeit. Genau wie gestern bauen sich zur Mittagszeit graue Wolkenwände vor uns auf. Während unserer Mittagspause grummelt es bereits am Himmel. Vorsorglich haben wir einen Platz unter dichten Bäumen gewählt, bereits die Regenjacken angezogen und die Ponchos bereitgelegt. Aber wir haben Glück ! Es regnet 500 Meter weiter, aber wir bleiben trocken. Die Sierra Madre, in der wir uns jetzt befinden, ist eine Bergkette, die sich von Nord-Colorado bis ins südliche Wyoming erstreckt. Den ganzen Nachmittag wandern wir in gutem Tempo auf einer schönen Hochebene. Insgesamt drei mal sehen wir schwarze Wolken auf uns zukommen, hören Donnergrollen und rechnen mit einem Wolkenbruch. Aber wir bleiben verschont, das Gewitter zieht entweder links von uns, mal rechts oder hinter uns vorbei. Wie gut, dass hier so viel Bewegung im Wetter ist. Immer ganz nahe dran, und trotzdem sind wir trocken geblieben. Auch unser letzter Tag in Colorado ist mühsam. Es gibt nochmal mehrere lange Aufstiege, insgesamt 700 Höhenmeter. Damit hatten wir eigentlich nicht mehr gerechnet. Dann wieder geht es über Geröll und rutschige Sandpisten steil nach unten. Unser Tagesziel ist die Colorado-Wyoming-Grenze. Gegen 18.00 Uhr sind wir da. Ein dicker Baumstamm liegt quer über dem Weg. Der einzige offizielle Hinweis ist ein einfaches Metallschild mit “ Wyoming “ an einem Baum. Zusätzlich hat Jemand ein Auto-Kennzeichen mit “ Colorado “ auf die andere Seite gelegt. Auf dem Waldboden wurden mit Steinen und Ästen die Initialen beider Bundesstaaten gemalt- das waren vermutlich CDT-Hiker. Für uns ist dieses ein weiterer Meilenstein auf unserem weiten Weg nach Canada. Mehr als die Hälfte ist geschafft. Wir haben nun New Mexico und Colorado, die beiden längsten Bundesstaaten vom CDT, zu Fuß von Süden nach Norden erobert. 🙂 Das anstrengende Colorado mit seinen Wetter-Kapriolen ist Vergangenheit. Ganz allgemein kann man sagen, dass Colorado spektakuläre Landschaft bietet, aber auch sehr touristisch geprägt ist. Das schlägt sich besonders in den Preisen nieder. In New Mexico sind wir für umgerechnet zwischen 40,- € und 50,- € in einem Mittelklasse-Motel untergekommen. In Colorado mussten wir ungefähr das Doppelte für eine Übernachtung ausgeben. Da drängt sich uns der Vergleich zu Neuseeland auf : Nordinsel dünn besiedelt und preiswert, Südinsel landschaftlich reizvoller, aber Massen-Tourismus und teuer. Erste Schritte in Wyoming ! Direkt hinter der Grenze haben wir dank der Angaben und Zeichen anderer CDT-Hiker eine versteckte Wasserquelle gefunden. Super, denn bis zum nächsten Wasser müssten wir sonst noch eine Stunde laufen. Soeben fängt es an zu tröpfeln. Ausnahmsweise geben wir uns mit einem nicht ganz so perfekten Zeltplatz zufrieden. Bevor es richtig anfängt zu regnen, ist unser Zelt aufgebaut und das Essen fertig. Wir feiern heute den Eintritt in unseren dritten Bundesstaat mit einem richtig guten Abendessen von Backpackers Pantry, teuer, aber hochwertig und lecker. 🙂

Meine Luftmatratze ist nicht mehr dicht. Gestern und heute früh bin ich davon aufgewacht, dass meine Knochen ziemlich unsanft auf dem harten Boden lagen. Muss ein ziemlich kleines Loch sein, denn es ist absolut nichts zu sehen. Wahrscheinlich wird das Flicken erst beim nächsten Stadt-Aufenthalt passieren. Solange muss ich nachts zwischendurch aufblasen. 🙁 Nachts sind wieder größere Tiere um unser Zelt gelaufen. Aber das ist okay – die wohnen schließlich hier, wir sind nur zu Besuch. 😉 Der erste Morgen in Wyoming ist grau und feucht. Wir laufen durch einen Geisterwald, der von Käfer-Schädlingen heimgesucht wurde. Um uns herum stehen nur Baum-Gerippe, graue Stämme mit grauen Ästen, die wie Arme nach allen Seiten abstehen. Alles tot, kein einziges grünes Blatt mehr zu sehen. Hier hat der asiatische Laubholz-Bockkäfer ganz furchtbar zugeschlagen. Kein schöner Anblick. Hunderte von abgestorbenen Bäumen liegen bereits am Boden. Unangenehmer Nebeneffekt für uns ist, dass wir klettern müssen, alle paar Meter wieder die Beine hochheben und über die querliegenden Stämme steigen. Das ist anstrengend, aber kurz nach dem Aufstehen geht es besser als zum Ende eines Tages. Auf jeden Fall hält es uns tüchtig auf. Danach folgt ein kräftiger Anstieg, der uns ordentlich ins Schwitzen bringt. Am Mittag gibt es ein paar Tropfen Regen, aber nicht genug, um davon richtig nass zu werden. Wir wandern heute in der Huston Park Wilderness, die ungefähr 80 Kilometer Strecke auf dem CDT umfasst. Die landschaftliche Formation nennt sich Medicine Bow. Unser Trail ist und bleibt sehr einsam. Die einzigen Menschen, die wir heute treffen, sind zwei Southbounder. Ein junges Paar, welches vor drei Monaten an der kanadischen Grenze gestartet ist und den CDT von Norden nach Süden bis zur mexikanischen Grenze wandert. Natürlich nehmen wir uns die Zeit, ein bisschen zu plaudern und wichtige Informationen auszutauschen. Den ganzen Nachmittag laufen wir auf einem schmalen Pfad knapp oberhalb der Baumgrenze. Und das Beste : Markierungen machen das Leben leichter. Seit wir in Wyoming sind, ist der CDT durchgehend gut markiert. Zunächst gibt es Bäume, bei denen senkrechte Einkerbungen in ihre Rinde geritzt würde, die älteste Art zu markieren. Danach haben wir Steinmännchen oder Holz-Stangen, die uns die Richtung weisen. Kein langes Herumsuchen, kein GPS. Wir können fast rennen. Ganz nebenbei ist die Landschaft hier oben wunderschön. Wir sind total begeistert von unserem Weg über die Hochebene. Es fängt nochmal leicht an zu regnen, aber nicht der Rede wert, die Sonne scheint bald wieder. Zwischen Felsen und Wald steigen wir ab in ein grünes Tal mit Wiesen, Bachläufen und Sumpf. Bei einem Sprung über einen Bach versinke ich mit einem Fuß im Morast. Mein linker Schuh bleibt im Matsch stecken, ist aber zum Glück nicht verloren. Eine Herde schwarzer Kühe mit ihren Kälbern weidet im Tal. Die sind ängstlicher als Rehe, denn sie rennen sogleich in die Deckung des Waldes, als sie uns bemerken. Alle Kühe haben einen Knopf im Ohr, also gehören sie einem Farmer. Wir wundern uns darüber, dass die Tiere hier ohne Zaun einfach frei herumlaufen. Das Gebiet ist so riesengroß und völlig ohne Absperrungen. Wenn die Kühe wollten, dann könnten sie bis nach Mexico wandern. Kurz vor Ende des Tages steigen wir noch über den Red Mountain mit 3200 Meter Höhe. Diesen letzten Aufstieg haben wir fast gar nicht bemerkt, weil wir fast nur in der Höhe gelaufen sind. Nach den Colorado-Bergen sind dieses nur kleine Hügel für uns. 😉 Kurz bevor der Trail auf die Straße mündet, gibt es noch eine Trail Magic. Da steht eine Kühlbox, darin sind Dosen mit verschiedenen Erfrischungsgetränken. Die sind natürlich sehr willkommen ! 🙂 Zwei Dosen nehmen wir mit, denn wir stehen direkt vor dem Battle Pass, wo wir Feierabend machen werden. Wir haben wieder 35 Kilometer geschafft. Spät genug ist es geworden, es wird schon gleich dunkel. Die Uhr zeigt 20.30 Uhr, die Tage werden bereits wieder kürzer. Während wir noch in der Nähe des Parkplatzes nach einem geeigneten Platz suchen, fängt es plötzlich heftig an zu regnen. Nun hat es uns also doch noch erwischt.

Wir haben in Steamboat Springs viel zu viel Essen gekauft und etwa die Hälfte davon bis zum Battle Pass getragen. Eigentlich haben wir noch genug warme Mahlzeiten und Müsli-Riegel, um direkt ohne Stadt-Aufenthalt die nächste Etappe in Angriff zu nehmen. Aber die Basics gehen zur Neige, das sind Haferflocken und Toilettenpapier. Außerdem genießen wir es immer sehr, zwischendurch mal nur einen halben Lauftag zu haben und ein paar Stunden in einem Café zu verdaddeln. Deswegen möchten wir doch per Anhalter zum Einkaufen in den nächsten Ort fahren. Etwa 20 Kilometer östlich vom Trail liegt Encampment, ein Dorf mit ca. 450 Einwohnern. Während wir noch unser Lager aufräumen und die Rucksäcke packen, hält ein Wagen an der Straße. Ein älterer Herr sitzt am Steuer, wünscht uns einen guten Morgen und fragt nach unseren weiteren Plänen. Er erzählt uns, dass er zum Angeln an einen der nahegelegenen Seen fährt. Ein sehr freundlicher Opa, der aber in die entgegensetzte Richtung unterwegs ist. Wir stapfen auf dem Highway ein Stück zurück, um am Parkplatz eine bessere Ausgangsposition zu bekommen. Wir trauen unseren Augen nicht, als wir dort das Auto von dem alten Mann stehen sehen. Unser netter Opa steigt aus, öffnet die Türen für uns und räumt ein paar Dinge nach hinten. Harry heißt unser Wohltäter. Er hat eine kleine Runde gedreht, um hier am Battle Pass auf uns zu warten. Seinen Angelausflug verschiebt er um eine Stunde, weil er uns die 20 Kilometer bis nach Encampment bringen möchte. Wyoming ist der bevölkerungsärmste Bundesstaat der USA. Die Straßen sind einsam, hier ist kein Verkehr, absolut gar nichts los. Was für ein Glück ! Harry setzt uns vor dem einzigen Café im Dorf ab. Annie, die Inhaberin von “ The Red Wagon “ empfängt uns sehr herzlich und bereitet ein leckeres Frühstück mit frisch aufgebrühtem Kaffee. Wir werden dazu eingeladen, uns auszubreiten und neu zu organisieren. Der erste Eindruck von Wyoming und seinen Menschen könnte nicht besser sein. Bisher können wir uns nicht beklagen. Nur das Wetter lässt etwas zu wünschen übrig …..

 

 

2 Kommentare zu “Steamboat Springs bis Battle Pass – Encampment 05.08. – 10.08.2017

  1. Bernd Rutel, sy-friederike

    Sehr interessant euer Reisetagebuch der letzten 5 Tage. Habe das Gefühl als wäre ich dabei gewesen, allerdings ohne mich anstrengen zu müssen und nicht nass geworden sein. Wünsche euch weiter alles Gute.