Wir segeln und wandern durch die Welt

Vom Appalachian Trail zum Continental Divide Trail

Von Bangor aus soll unsere Reise mit drei verschiedenen Flugzeugen über Newark und Denver bis nach Cody gehen. Das Ticket ist teurer als der Hinweg von den Kanaren in die USA, aber alle Bus-Verbindungen würden 3-4 Tage dauern und auch Geld kosten. Deswegen entscheiden wir uns für die schnelle Variante, morgens Abflug und abends schon am Ziel. Klappt aber leider nicht wie gewünscht. Verrücktes Wetter, viele Turbulenzen. Mit dem ersten Flieger läuft noch alles nach Plan. Unsere zweite Maschine muss mehrere Extra-Runden drehen, um schwarze Wolkenbänke zu umfliegen. Haben bei der Landung bereits 2 Stunden Verspätung. In Denver geht dann gar nichts mehr. Alles steht still. Theoretisch wäre unser Anschluss-Flug schon weg, praktisch können aber auch die nicht starten. Es wird eine Durchsage gemacht, dass wir aus Sicherheitsgründen nicht aussteigen dürfen, weil das Gewitter zu nahe ist. Niemand darf nach draußen, auch das Bodenpersonal arbeitet nicht. Wir sitzen im Flugzeug und schmoren. Bleibt spannend. Nach einer weiteren halben Stunde werden wir endlich freigelassen, schauen auf die Anzeigetafel und rennen los. Unsere nächste Maschine ist noch da. Wir müssen von Gate 23 nach Gate 87, das ist ein weiter Weg. Schon 3 Stunden Verspätung, aber auch die pünktlichen Passagiere sitzen noch im Wartebereich. Schließlich können wir einsteigen, aber eine weitere Durchsage bittet um Geduld. Alle Flugzeuge dürfen erst 15 Minuten nach dem letzten Blitz im Umkreis von 10 Meilen starten. So sind die Sicherheitsvorschriften. Mehrere Male wiederholt sich das Spiel. 8 Minuten kein Blitz, 10 Minuten kein Blitz, 12 Minuten kein Blitz …. Im letzten Moment zuckt es doch noch hell über den Himmel und wirft uns wieder eine halbe Stunde zurück. Endlich stehen wir an erster Stelle an der Rollbahn, starten durch, aber auf halber Strecke wird die Maschine stark abgebremst. Wieder eine Ansage des Piloten. Es hat ein unbekanntes Geräusch gegeben, irgendwo klappert es, das Flugzeug soll überprüft werden. Angeblich soll es nur ein paar Minuten dauern, man bittet weiterhin um Geduld. Eine weitere Stunde verbringen wir festgeschnallt auf unseren Sitzen und warten. Dann kommt der abschließende Bescheid : Endstation für heute, alle Passagiere müssen aussteigen. Inzwischen ist es 1.00 in der Nacht. Außerdem haben wir eine Zeitverschiebung von 2 Stunden seit dem Start in Maine, weil wir nach Westen geflogen sind. Alle Passagiere sind müde und genervt, an den Schaltern des Kundendienstes bilden sich lange Schlangen. Nach langen Diskussionen mit dem Service-Personal haben wir einen Weiterflug für 12.45 Uhr nächsten Mittag, außerdem einen Hotel-Voucher und Essensgutscheine im Wert von 40,- Dollar. Nun müssen wir nur noch telefonisch den Shuttle zum Hotel bestellen, den Weg nach draußen finden, mit der Bahn zum Haupt-Terminal fahren, anschließend eine weitere halbe Stunde Autofahrt zusammen mit anderen gestrandeten Passagieren. Es ist 4.00 Uhr in der Frühe, als wir endlich völlig erledigt im Hotel ankommen. Ohne Rucksäcke, denn das Gepäck ist zwar ausgeladen worden, aber nicht herausgegeben worden. Was für eine Odyssee !
Schickes Zimmer für umsonst, aber leider nur 4 Stunden Schlaf, eine schnelle Dusche und ein kontinentales Frühstück. Inzwischen haben wir eine Nachricht der Flug-Gesellschaft auf’s Handy bekommen, dass der Start unserer Maschine auf 12.00 Uhr vorverlegt wurde. Das ist völlig überraschend, wir sind nicht begeistert. Eigentlich waren wir waren gut in der Zeit. Nun müssen wir uns doch wieder beeilen, den ganzen Weg mit Hotel-Shuttle und Bahn zurück, nochmal durch die Sicherheitskontrollen. Große Aufregung, weite Wege im Terminal, wir müssen rennen. Schaffen es rechtzeitig bis zu unserem Abflug-Gate, wo schon viele Leute sitzen und warten. Es passiert wieder gar nichts. Dann erfolgt eine Durchsage, dass der Abflug etwas verzögert stattfindet, weil die Crew noch nicht eingetroffen ist. Unfassbar !

Um 1.00 Uhr fliegen wir endlich los. Die Verspätung liegt jetzt bei 15 Stunden, ist aber immer noch schneller als der Bus. Dummerweise können wir nun heute keine 20 Kilometer mehr bis zu unserem ersten Zeltplatz schaffen. Alle Reservierungen für den Yellowstone National Park sind hinfällig, aber Thomas gelingt es, unsere Buchungen um einen Tag zu verlegen.
Aus dem Flugzeug heraus haben wir fantastische Sicht auf die Berge von Colorado. Die Gipfel der San Juan Mountains ragen aus den Wolken heraus. Wir staunen nicht schlecht : Schnee, sehr viel Schnee bedeckt die gesamte Range der San Juans, und das noch im Juli. Wir haben 2017 auf dem gesamten Trail ordentlich mit dem Schnee zu kämpfen gehabt. Das war kein gutes Jahr, um 5000 Kilometer an einem Stück zu laufen. Nun sieht es unter uns keinen Deut besser aus. Da können wir gespannt sein, was uns in Montana erwartet. Laut Aussagen der Ranger bei unserer telefonischen Yellowstone-Reservierung ist der CDT im Norden der USA noch nicht viel begangen, und auf den Pässen soll noch Schnee liegen.

Cody liegt 80 Kilometer östlich vom Yellowstone Nationalpark auf 1500 Meter Höhe. Die Stadt hat knapp 10.000 Einwohner, aber in der Haupt-Ferienzeit gibt es wesentlich mehr Touristen. Wir befinden uns jetzt im Bundesstaat Wyoming. Hier ist alles komplett anders als in Maine, gar kein Vergleich möglich. Die Menschen, der Verkehr, die Landschaft, sogar die Luft ist anders. Wir müssen Bärenspray und Gas für unseren Kocher kaufen. Beides darf nicht im Flug-Gepäck transportiert werden. Klappt gut, wir bekommen das Abwehrspray im Zweierpack für 80,- Dollar. Teuer genug, aber Sicherheit geht vor. Dafür sparen wir uns heute das Geld für’s Hotel und versuchen, per Anhalter direkt zum Trail zu kommen. Klappt leider gar nicht. Wir stehen volle 2 Stunden an einer vielbefahrenen Straße, aber kein Auto hält an. Eigentlich hatten wir uns vorgestellt, nur ein paar Kilometer in die Route einzusteigen, dann früh unser Zelt aufzubauen, damit wir Schlaf nachholen können. Stattdessen sind wir abends immer noch in Cody, stellen unser Zelt für 20,- Dollar auf einem Campingplatz auf und hoffen, dass es morgen früh besser läuft mit dem Trampen. Eine Strecke von 65 Kilometern, das ist einfach zu weit, um bis dahin zu laufen.

Der Übergang vom AT zum CDT wird uns nicht leicht gemacht. Stehen extra früh auf, verzichten auf ein gutes Frühstück, weil es uns nach Pahaska zum Trail zieht. Dann sind wir wieder an derselben Stelle wie gestern, stehen uns die Beine in den Bauch, der Arm wird lahm. Es ist heiß, die Sonne brennt. Geschätzte 500 Autos fahren an uns vorbei, aber Niemand nimmt uns mit. Touristen, Appartements auf Rädern und viele dicke Schlitten von Superreichen. Blöd. 🙁 Haben keine Lust mehr, aber wir müssen durchhalten. Bahn oder Bus gibt es hier nicht. Es nützt nichts, wir haben keine Wahl, wir müssen da rauf. Also Geduld …. und weiter lächeln. Erst nach geschlagenen 3,5 Stunden hält endlich ein Auto an. Der Fahrer Brian wohnt etwa 15 Kilometer außerhalb von Cody. Seine erste Frage ist, ob wir Bär-Spray dabeihaben. Als er hört, was wir machen und wohin wir möchten, erklärt er sich spontan bereit, uns zum Trailhead zu bringen. Wahnsinn ! Das sind mal eben 50 Kilometer mehr als sein Heimweg, dieselbe Strecke muss er dann alleine nochmal zurück fahren. Inhaber eines Outdoor-Ladens und pensionierter Jäger von Beruf, einen besseren Ratgeber können wir uns gerade nicht wünschen. Brian kennt diese Region wie seine Westentasche. Dadurch erfahren wir viel Wissenswertes über die Tierwelt, Baumsterben, Schneehöhe und Flusstiefen. Die Fluss-Querungen könnten wegen der Schneeschmelze zum Problem werden. Entlang des Shoshone River soll es die höchste Konzentration von Grizzly-Bären geben, ganz besonders in der Gegend um Pahaska, wo wir uns herumtreiben. Bei einer Wanderung mit seiner Frau hat Brian an einem Tag 9 Grizzly-Bären gesehen. Bin froh, dass wir gestern zwei neue Flaschen Bär-Spray gekauft haben. Wir müssen versprechen, dass wir uns sofort melden, wenn wir die erste Etappe geschafft haben. Solange will er für unsere Sicherheit beten. Nun, das kann ja sicher nicht schaden. 😉


Außerdem lädt Brian uns zu sich nach Hause ein, wann immer wir kommen möchten. Sogar ein Auto könnten wir von ihm bekommen, um damit durch die USA zu reisen. Da fällt einem doch nichts mehr zu ein ! Großzügig und hilfsbereit ohne Ende. Um so einen Menschen kennenzulernen, dafür hat sich die stundenlange Warterei doch gelohnt. 🙂