Pfingst-Montag fahren wir nur ein kleines Stück weiter, denn wir möchten gerne näher an den Stadtkern heran. Annapolis ist die Hauptstadt des Bundesstaates Maryland und hat 40.000 Einwohner. Thomas telefoniert mit den City Docks und fragt, ob wir im zentralen Hafen eine Mooring bekommen können. Ja, aber die soll 35,- Dollar kosten pro Nacht. Das ist uns entschieden zu teuer. Es gibt genügend Orte, an denen wir am eigenen Anker umsonst liegen können. Dafür pirschen wir uns den Severn River hinauf. Eine feststehende Brücke liegt im Weg, über 20 Meter Höhe, da passen wir locker durch. Dahinter nehmen wir einen westlichen Abzweiger in den Weems Creek. Das soll laut unseren Unterlagen die Hintertür nach Annapolis sein. Der Anker hält einfach nicht an der ausgewählten Stelle. Mehrere Versuche auf 3,50 Meter Wassertiefe, aber er schliert über den Grund. Beim Hochholen sitzt er voll mit matschigem Laub. Also suchen wir uns einen besseren Platz, leider weit entfernt vom Anlege-Strand. Anker sitzt, das Boot rührt sich nicht mehr. Sicherheitshalber geben wir den nächsten Nachbarn unsere Karte mit Telefonnummer. Wir müssen nur ein paar Minuten paddeln, danach ist es noch eine gute halbe Stunde Fußweg bis Downtown. Das passt. 🙂 Der erste Eindruck von Annapolis fällt sehr positiv aus. In der Touristen-Info bekommen wir von einer freundlichen Dame eine Unmenge an Informationen und einen Stadtplan. Auch im Hafenbüro werden unsere Fragen nett und geduldig beantwortet. Hier kann man Münzen für die Benutzung von Duschen und Waschmaschine kaufen. Aber freie Mooringe …. ? Wovon träumen wir denn nachts ? 😉 Diese alte Hafenstadt gefällt uns. Es gibt viele historische Gebäude, nette Geschäfte, Touristen, Kulinarisches und Kultur. Beim Nachhausekommen werden wir von den Nachbarn der „SY ATSA“ gerufen und zum Sundowner eingeladen. 🙂 Leslie und Hartley kennen diese Gegend wie ihre Westentasche. Sie haben hier ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass ihr Anker an der Anlegestelle in weichem Matsch und Pflanzenresten nicht gehalten hat.
Unsere Wetter-App meldet eine Starkwind-Warnung für kleine Boote in den nächsten beiden Tagen. Wir halten das für ein bisschen übertrieben. Unsere einzige Sorge ist, dass wir bei zu viel Gegenwind nicht an Land paddeln können. Außenborder für’s Dingi besitzen wir nicht, und die Strecke bis zur Straße ist weit, wenn es kräftig von vorne bläst. Trotzdem brechen wir früh auf zum Landgang, denn wir sind neugierig. Paddeln ist anstrengend, aber nach einer Viertelstunde geschafft. Wir haben dermaßen viele Informationen und Empfehlungen bekommen, dass wir uns sofort auf unsere Sightseeing Tour stürzen. Beginnen am Visitor Center und arbeiten Punkt für Punkt der „Best of Annapolis“ ab. Das klingt vielleicht ein bisschen bescheuert, aber eigentlich machen wir uns einen Spaß daraus, alle „Sehenswürdigkeiten“ zu finden. Die historischen Häuser sind außen mit Plaketten gekennzeichnet. Daran kann man die Epoche, das Baujahr, den Architektur-Stil des Gebäudes erkennen. Grüner Marker zum Beispiel für den „Greek Revival Style“, das ist die Zeit 1820 bis 1860.
Am „Maryland State House“ verweilen wir länger. Gegen Vorlage unserer Pässe und nach Durchleuchtung der Rucksäcke beim Eingang bekommen wir Besucher-Ausweise. Damit dürfen wir dieses wichtige Gebäude von innen besichtigen. Das State House wurde 1772 erbaut und ist Sitz des Parlaments von Maryland. Uns hat das 48-teilige ausgestellte Tafelsilber besonders beeindruckt. Es wurde Anfang des 19. Jahrhunderts entworfen und ausschließlich auf den Schiffen der U.S. Navy benutzt.
Ein Stadtbummel durch die alten Gassen lohnt sich. Die meisten Häuser sind hübsch angemalt und mit liebevollen Details verziert. Wenn man zu Fuß unterwegs ist und die Augen öffnet, dann gibt es viel zu sehen.
Mittags kommt Bewegung in die Wolken, der Wind wird stärker. Verbunden mit der Starkwind-Warnung war ein Hinweis, dass der Wasserstand steigen wird. Stimmt. Am Hafen kann man bereits sehen, dass der Bereich direkt am Ufer überflutet wird. Wir sind etwas beunruhigt und kehren vorzeitig um. Haben nur 18 von 33 Sehenswürdigkeiten „geschafft“, aber die Sicherheit des Bootes geht vor. Wir haben sowieso vor, etwas länger in Annapolis zu bleiben, da können wir unsere Tour auch an einem ruhigeren Tag fortsetzen. Das Dingi liegt hoch und trocken am Anlege-Strand, die Walkabout hat sich keinen Meter von der Stelle bewegt. So soll es sein. 🙂
Einen ganzen Tag verbringen wir mit Danny, der uns morgens mit seinem Auto abholt. Sehr kurzweilig, er ist ein rundum netter und lustiger Typ. 🙂 Danny lädt uns zum Mittagessen in einem ausgezeichneten China-Restaurant ein. Danach kutschiert er uns herum : Bacon Sails, Einkaufen im Walmart, Liquor Store, kurzer Besuch in seiner Marina. Voll beladen paddeln wir gegen 17.00 Uhr zurück zur Walkabout. Passende Schrauben für unsere Aries, stärkere Schäkel für den Anker und neue Reffleinen für die Genua standen auf der Wunschliste – erfolgreich erledigt. Außerdem hat Thomas zwei kleine Fenster zum Öffnen gekauft. Er schneidet zwei runde Löcher ins Deckshaus, damit wir dort endlich eine anständige Belüftung bekommen. 🙂
Am nächsten Tag überqueren wir auf einer Brücke den Spa Creek, weil wir den Ortsteil „Eastport“ erkunden möchten. Auf dieser Landzunge sind Yacht-Clubs, Schiffs-Ausrüster und etliche Fisch-Restaurants ansässig. Die Seefahrer-Geschichte ist allgegenwärtig.
Nachmittags setze ich meine Stadt-Besichtigung alleine fort, während sich Thomas der Arbeit auf dem Boot widmet. Ich habe fast alle Sehenswürdigkeiten des Rundgangs gefunden, nur ein Haus stand nicht an der Stelle, wo es laut Plan sein sollte. Ehrlich gesagt wurde die Sache mit den historischen Gebäuden auch etwas langweilig. Viel interessanter sind die kleinen Gassen der Altstadt mit ihren bunten Häuschen. Diese Woche ist „Arts Week“ in Annapolis. Überall stehen Hobby-Künstler mit ihren Staffeleien im Park oder an der Straße und malen. Schöne Motive gibt es genug. 🙂 Am Hafen spielen Straßen-Musikanten und bieten eine richtig gute Vorstellung.
Der westliche Stadtteil beschäftigt uns einen weiteren Tag. Hier scheinen die Menschen zu wohnen, die nicht unfassbar reich sind. Wir kommen an vier Friedhöfen vorbei, auch die sind anscheinend im Westen angesiedelt. Man kann viele alte und sehr alte Grabsteine besichtigen, einige Mausoleen und eine etwas modernere Ruhestätte. Nicht schön, aber trotzdem beeindruckend, ist der „Annapolis National Cemetery“. Das ist ein Militär-Friedhof mit mehr als 3000 Grabsteinen in Reih und Glied. Für die Amerikaner sind das Helden.
Unser Ankerplatz im Weems Creek ist ausgesprochen ruhig und sehr zu empfehlen für Segler, die keine Liegekosten in der Marina bezahlen möchten. Das Wasser ist so sauber, dass wir jeden Abend am Boot schwimmen gehen. Nur am Wochenende wird es etwas unruhig. Im größeren Severn River flitzen pausenlos schnelle Motorboote hin und her, die einen lästigen Schwell entstehen lassen.
Annapolis ist eine Stadt, wie sie uns gefällt, nicht zu groß und nicht zu klein. Alles haben wir sicherlich nicht gesehen, trotzdem haben wir genug. Es zieht uns weiter, auf zu neuen Ufern.