Wir segeln und wandern durch die Welt

von Annapolis über Lewes nach Jersey City

Himmel bedeckt, Nieselregen, ein grauer Tag. Wir empfinden es als angenehm, haben zu viel Sonne gehabt in den letzten Wochen. Kaum liegt der Weems Creek hinter uns, da geraten wir in eine Segel-Regatta. Also nicht wirklich hinein, denn wir erkennen es rechtzeitig und halten uns abseits am Rand. Heute führt unser Weg unter der doppelten Brücke hindurch weiter nach Norden. Zwei Stunden lang fahren wir auf die Chesapeake Bay Bridge zu. Dann braust über uns der Verkehr, lückenlos und laut. Weitere fünf Stunden lang können wir beim Blick zurück dieses gigantische Bauwerk achteraus sehen. Wie gesagt : 7 Kilometer lang, 115 Meter hoch. Wirklich sehr beeindruckend.

Fast jedes Seezeichen bietet ausreichend Raum für ein großes Vogelnest. Hier sind Weißkopf-Seeadler zu Hause. Meistens sieht man sie als Paar. Manchmal bringt ein erwachsener Vogel einen Fisch heran als Futter für die Brut. Am Nachmittag klart es auf. Auf der rechten Seite der Bucht wird unermesslicher Reichtum zur Schau gestellt. Da stehen Villen, die wie kleine Paläste aussehen. Drumherum mehr Grundstück als man braucht, eigener Wald, privater Treppenzugang zum Steg mit Bade-Plattform. Schicke Park-Anlagen um die Häuser herum, ein halbes Dutzend Angestellter, die den Rasen im Schachbrett-Muster mähen und geografische Muster in die Hecken schneiden. Uns schüttelt es. Wie reich muss man dafür sein ? Und wie ungerecht ist die Welt ? Irgendwo in Afrika reicht ein Esslöffel Erdnuss-Butter am Tag, um ein Kind vor dem Hungertod zu retten. 🙁  Einiges zu tun für die Küstenwache, wie wir auf Kanal 16 mithören können. „Vessel under Stress“ – wahrscheinlich ist das an jedem Wochenende so. Außerhalb des Fahrwassers schwimmen dicht an dicht Markierungen aus Plastik. Diese kennzeichnen Krabbenkörbe oder Angelreusen, die man nicht überfahren sollte. Auf jeden Fall muss man gut aufpassen, damit man nicht eine Leine in die Schraube bekommt. Walkabout fährt Slalom um die Hindernisse herum. Viele tote Fische treiben im Wasser. Wir entdecken sogar zwei tote Robben, eine ausgewachsene und ein Baby. Warum ? Ist das Wasser hier im nördlichen Teil der Chesapeake Bay irgendwie verseucht ? Oder ist das eine Folge der vielen schnellen Motorboote, die am Wochenende zum Angeln fahren und einen Teil des Fangs wieder ins Wasser werfen ? 🙁 Um 18.30 Uhr fällt unser Anker auf knapp 3 Meter. Für die Nacht sind Gewitter angesagt, aber wir haben einen gut geschützten Ankerplatz am Handys Point.

Regen und Gewitter konnten uns nicht weiter stören. Morgens ist es grau und nieselig. Slalom-Fahrt um die Plastik-Markierungen herum. Außerdem treibt am Eingang unserer Bucht sehr viel Holz, das wahrscheinlich durch die Unwetter der letzten Nacht angespült wurde. Wir fahren früh los, denn wir haben uns eine lange Strecke vorgenommen. Zunächst durch den nördlichen Teil der Chesapeake Bay, danach eventuell noch weitere 3-4 Stunden durch den Chesapeake-Delaware-Kanal. Auf den vorgelagerten Sandbänken ist schon richtig was los. Wir zählen ungefähr 20 Motorboote, die hier am Wochenende ihrem Angel-Hobby nachgehen. Mittags kommt die Sonne heraus, es wird wieder heiß. Die Chesapeake Bay verjüngt sich nach Norden, die Fahrrinne wird immer schmaler. Der Susquehanna River ergießt seine Wassermassen in die Bucht. Mit über 700 Kilometern ist er der längste an der Ostküste mündende Fluss in den Vereinigten Staaten. Es geht nur langsam vorwärts. Dann endlich können wir einer Straße mit dicken Fahrwasser-Tonnen folgen, die ausnahmslos mit Nestern besetzt sind. Hier stehen die roten und grünen Bojen sogar an der „richtigen“ Seite. Nach 6 Stunden haben wir den Anfang des Kanals erreicht. Passt gut. Sehr schön grün ist es zu beiden Seiten, nicht verbaut mit exklusiven Villen. Dafür sehen wir viel Wald, Fahrrad- und Wanderwege. Gefällt mir eindeutig besser als die Ufer entlang der Chesapeake Bay mit den Prachtbauten der Superreichen. 14 Meilen lang, 130 Meter breit und mehr als 12 Meter tief ist die Verbindung zwischen Delaware River und der Chesapeake Bay. Unterwegs gibt es keine Möglichkeit zum Stoppen oder Ankern, mit Ausnahme einer teuren Marina. Wir schaffen es gut bei Tageslicht. Insgesamt 5 Brücken auf dieser Strecke, die alle für größere Schiffe gemacht sind. Wir passen also locker durch, ohne die Geschwindigkeit zu vermindern. Mit-Strömung verhilft uns zu mehr als 7 Knoten Fahrt. 🙂 Ein Ozeanriese kommt uns entgegen, die „Timca“ mit Heimathafen Amsterdam. Dieses Frachtschiff hat eine Länge von 205 Metern, ist knapp 30 Meter breit und hat 8 Meter Tiefgang. Da fühlen wir uns mit der Walkabout ganz klein und drücken uns an den äußersten Rand.

Kaum sind wir heraus aus dem Kanal, da ist es vorbei mit Geschwindigkeit. Gegen-Strom, die Tide ist gekippt, wir machen nur noch 2,5 Knoten. Außerdem bläst hier der Wind von vorne. Für die Nacht brauchen wir ein geschütztes Plätzchen, denn es sind wieder Gewitter angesagt. Dafür umfahren wir eine Steinmole, die ins Wasser ragt. Dahinter soll es ein festes Hindernis geben, allerdings überspült, Tiefe unbekannt. Es wird sofort flach, danach zeigt das Echolot nur noch 2-3 Meter an. Alles sehr knapp. An unserer auserwählten Stelle liegt bereits ein Segler, der hatte wohl denselben Plan. Es ist Platz genug für Beide. Um 18.00 Uhr fällt der Anker zwischen Reedy Island und Canada Beach. Die Chesapeake Bay ist Vergangenheit. Die nächsten Tage müssen wir etwas besser planen und die Tide berücksichtigen, damit wir nicht den vollen Gegenstrom auf die Nase kriegen. Es plitschert und plätschert laut neben unserer Bordwand. Vor dem Schlafen gehen wir noch einmal zusammen raus und schauen vorne am Bug nach dem Rechten. Das Wasser gurgelt laut um unsere Ankerkette herum. Starke Strömung hin, starke Strömung her. Die Tide kippt, Walkabout dreht sich am Anker.

Morgens früh dichter Nebel. Wir bleiben etwas länger in der Koje, weil wir aufgrund der Tide erst gegen Mittag starten werden. Zeit genug, um ein Körnerbrot zu backen und das Schiff seefest zu machen, Sicherungsleinen anbringen etc. 🙂 Währenddessen fließt das Wasser mit einer enormen Geschwindigkeit vorne an der Kette und an den Seiten des Bootes entlang. Es sieht fast so aus, als würden wir schnelle Fahrt machen, dabei liegen wir noch sicher vor Anker. Um 11.30 Uhr – genau bei Hochwasser – starten wir. Zunächst hangeln wir uns weiter ganz nahe an den Inseln und machen 4 Knoten Fahrt. Dank der mitlaufenden Strömung wird Walkabout bald schneller, die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 7,8 Knoten. Es wäre völlig unsinnig, gegenan fahren zu wollen. Lieber sind wir jetzt nur halbe Tage unterwegs, ankern zwischendurch und schauen uns ein paar neue Orte an. Backbord springen einige Delfine aus dem Wasser. Es handelt sich um eine kleine Art, sehr flink und wendig. Sie drehen ihre Pirouetten und schlagen mit der Schwanzflosse so hart auf’s Wasser, dass man den lauten Platsch deutlich hören kann. So ein Verhalten haben wir noch nie gesehen, vermutlich ist es eine besondere Jagd-Technik. Auf der anderen Seite entdecken wir kurz darauf einen Seehund, der völlig entspannt neben uns schwimmt, so als würde er gerade ein Bad nehmen. Etwas später haben wir noch einmal kurz Delfine als Begleitung. 🙂 Am späten Nachmittag verlassen wir das Fahrwasser, weil die Strömung sich gegen uns wendet und Walkabout immer langsamer wird. Wir fahren einen Winkel von 90° und nähern uns der Küste an. Unser Plotter zeigt unzählige vorgelagerte Sandbänke, dazwischen suchen wir unseren Weg. Alles flach, die großen Schiffe können hier nicht gefährlich werden. Um 18.30 Uhr fällt der Anker irgendwo im Nirgendwo der Delaware Bay. Wunderschöner Sonnenuntergang und tolle Abendstimmung. Die Sonne geht unter, der Mond geht auf. Vollmond. 🙂 Das letzte Mal bei den Damascus Trail Days, vorletztes Mal „Pink Moon“ auf dem AT in Waynesboro. Immer wieder etwas Besonderes, wenn man an einem besonderen Ort ist und es ganz bewusst erlebt. Wir ankern alleine auf einer riesigen Wasserfläche, vergleichbar mit dem heimischen Wattenmeer, kein Mensch und kein Verkehr weit und breit. Das ist schon ziemlich genial. 🙂 Wir machen es uns mit unseren Polstern an Deck gemütlich und tauchen ein in diese faszinierende Welt, die sich ganz schnell ändern kann.

Das Wetter bleibt nicht länger so friedlich. In der zweiten Nachthälfte frischt der Wind auf. Die Delaware Bay ist groß und bietet viel Angriffsfläche. Anker ist auf einer Wassertiefe von 3,70 Metern gefallen. Die Walkabout zerrt an der Kette und dreht sich. Wir stampfen auf und nieder, vorne im Bug ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Unseren Morgen-Kaffee trinken wir im Deckshaus. Draußen ist es grau, erst Regen, dann Gewitter. Wir haben 20 Meter Kette draußen. Lehm und Schlick sind ein guter Haltegrund. Auf dem Plotter können wir beobachten, dass wir uns nicht vom Ankerpunkt entfernen, sondern nur auf der Stelle tanzen. Alles gut. Noch müssen wir warten, bis die Tide kippt und die Gegenströmung nachlässt. Der Wind bleibt kräftig, Wellenhöhe steigt. Die aufgewühlte See macht das Leben an Bord etwas schaukelig. Macht schon keinen Spaß mehr, sich unter Deck aufzuhalten. Aufbruch eine Stunde früher als geplant, bevor wir am Anker seekrank werden. Gegen Wind und Strom schaffen wir nur 2,5 Knoten, aber die Schiffs-Bewegungen sind angenehmer. Der Himmel im Westen wird immer dunkler, da braut sich was zusammen. Keine Viertelstunde nach diesem Gedanken geht es los. Zunächst Regen mit noch mehr Wind, dann Blitz und Donner. Der Himmel präsentiert sich jetzt ringsum dunkelgrau, auch da, wo es vor wenigen Minuten noch hell war. Die Sicht wird immer schlechter. Niemand wird sich bei diesem Sauwetter im flachen Wasser herumtreiben – so hoffen wir wenigstens. Für große Pötte sowieso unmöglich, die werden schön im tiefen Fahrwasser bleiben. Funk-Antenne ist abgeklemmt, auch das AIS stellen wir aus, als das Gewitter sehr nahe ist. Kabbeliger Seegang, Wind von vorne, unser Kurs ist schwierig zu halten. Irgendwann hilft die Strömung mit und schiebt, so kommen wir mit 4-5 Knoten voran. Und dann Regen, Regen, Regen. Die Wellen werden plattgedrückt, das ist gut für uns. Nass werden wir nicht, weil wir aus dem Deckshaus steuern. Gegen 13.00 Uhr ist das Unwetter durchgezogen, diesmal ganz ohne Aufregung. 🙂 Frühstück ist ausgefallen, das holen wir nach. Um 15.00 Uhr haben wir unser Ziel erreicht : Lewes. Wir queren die Route der Fähre von Cape May und tuckern langsam in Richtung Strand. Eine lange Mole, ein „Breakwater“, schützt vor Wind und Schwell. Einfach genial. 🙂 Der Anker fällt genau bei Niedrigwasser auf 1,90 Meter. Zack – das Boot steht sofort. 1,60 Meter Tidenhub, die kommen dann mit dem auflaufenden Wasser noch dazu. Wir paddeln direkt zum Sandstrand. Dort liegen seltsame Geschöpfe, wie wir sie nie zuvor gesehen haben. „Limulus polyphemus“. Das sind Pfeilschwanz-Krebse, die an der amerikanischen Atlantikküste und am Golf von Mexiko vorkommen.

Wir laufen durch Dünen-Landschaft mit Kaninchen ( fühlen uns fast wie zu Hause ) bis zu einem kleinen Laden mit Angelbedarf. Dort fragen wir vorsichtshalber, ob es okay ist, hier zu ankern. Wir befinden uns im Cape Henlopen State Park, und da gelten manchmal strenge Regeln. Anscheinend ist es kein Problem. Man kann kalte Getränke und Eis kaufen, draußen gibt es Picknick-Tische und Toiletten. Das sieht sehr gut aus. 🙂 Beide überlegen wir, ob es sich nicht lohnt, eventuell länger zu bleiben. Wir entdecken an einem Pfahl ein Zeichen vom „American Discovery Trail“. Das weckt den Hiker in uns. Der American Discovery Trail ist 5000 Meilen bzw. 8000 Kilometer lang und verläuft vom Atlantik bis zum Pazifik quer durch die USA. Wir wussten noch nicht einmal, dass der hier startet. Jetzt stehen wir vor der ersten Markierung, und die Gedanken fangen sogleich an, in Richtung Wandern zu driften. Blödsinn – nein, den wollen wir nicht laufen. 😉 Nur eine gute Stunde Fußweg bis in den Ort. Lewes ist eine kleine Stadt im US-Bundesstaat Delaware. Sie liegt auf der Delmarva-Halbinsel und hat knapp 3000 Einwohner. Inzwischen haben wir eine Karte mit verschiedenen Trails im Cape Henlopen State Park bekommen. Morgen möchten wir wandern.

Lewes ist ein Glücksgriff, eigentlich eher ein Zufalls-Treffer. Wir wussten nicht viel über diesen Ort, außer dass der Ankerplatz geschützter aussieht als der auf der anderen Seite beim Cape May. Hier gibt es einen tollen Strand, Wanderwege, einen hübschen Ort, Toiletten und Einkaufsmöglichkeiten in gut erreichbarer Entfernung. Das Gesamtpaket stimmt. 🙂 Wir haben beschlossen, dass wir noch 1-2 Tage länger an diesem netten Ort bleiben, bevor wir weiterziehen. New York läuft uns nicht weg. Zunächst einmal verholen wir die Walkabout näher zum Strand, nachdem wir gestern aus dem Dingi heraus mit dem Hand-Echolot die genauen Wassertiefen gemessen haben. Morgens schwimmen vier Delfine in unserer Bucht. Ziemlich große Exemplare und anscheinend immer in dieser Formation unterwegs. Sie tauchen gemeinsam auf, zeigen einen vollendeten Bogen und tauchen synchron wieder unter. Sehr schönes Schauspiel. 🙂 Später erfahren wir von Anwohnern, dass diese Delfine jeden Tag hier ihre Runden drehen. Wir paddeln bei Hochwasser an Land und staunen darüber, dass der ganze Strand mit Pfeilschwanz-Krebsen übersät ist. Nicht nur Dutzende, sondern gleich Hunderte dieser komischen Krebse liegen am Flutsaum. „Horseshoe Crab“ nennen die Einheimischen dieses merkwürdige Tier, das uns an ein Fossil aus der Urzeit erinnert. Aktuell ist gerade Paarungszeit. Außerdem kommen sie an Land, um im Sand ihre Eier abzulegen. Richtig was los hier mit den hässlichen Krebsen. Wir finden es total erstaunlich, dass wir die noch nirgends gesehen, bis gestern noch nicht einmal davon gehört haben.

Wir laufen lange im weißen Sand und baden die Füße im Atlantik. Freuen uns über Dutzende von kleinen Vögeln,  die an der Wasserkante trippeln und an Norderney erinnern. Strandläufer. 🙂 Plötzlich stehen wir vor einem Zaun. Vogelschutzgebiet – hier geht es nicht weiter, der Leuchtturm bleibt unerreichbar. Ein Weg quert zur anderen Seite, wo die Atlantik-Wellen an den Strand donnern. Man glaubt es kaum, aber dieser Abschnitt ist für Autos zugänglich, was auch reichlich genutzt wird. Die Amis fahren tatsächlich mit ihren Monster-Trucks bis an den Strand, bauen daneben ihre Zelte und Angelausrüstung auf. Verrücktes Volk. 😉 Im Anschluss folgt eine Meile mit bewachtem Badestrand. Autos und Hunde sind verboten, Alkohol und Rauchen auch. Bunte Strandzelte prägen das Bild. Die Menschen liegen dicht an dicht auf Handtüchern oder mitgebrachten Liegestühlen, Musik ertönt aus diversen Radios. Nicht weit außerhalb des bewachten Badefeldes zieht eine Gruppe von Delfinen gemächlich ihre Kreise. Ich komme mir vor wie an der CopaCabana in Rio de Janeiro.

Den nächsten Übergang nehmen wir in Richtung Wald. Dabei kommen wir an einem Imbiss vorbei, wo es lecker riecht. Es ist Mittagszeit – der Magen meldet sich. Aber der Appetit vergeht ganz schnell wieder, als ich die Preise sehe : Portion Pommes für 8,- Dollar. Natürlich haben die Kartoffelschnitze einen teuren Namen, die heißen nämlich hier „Beach Fries“. 😉 Darauf können wir verzichten, weil wir eigenen Proviant im Rucksack mitgebracht haben. Es gibt mehrere Wanderwege im Henlopen State Park. Wir laufen eine Runde auf dem „Pinelands Nature Trail“. Das ist ein schöner Loop durch Kiefernwald, nicht besonders anspruchsvoll. Trotzdem treffen wir nur ein einziges Paar, das bald abbiegt zum Parkplatz. Unterwegs finden wir eine Bank im Schatten, wo wir Rast machen und unser mitgebrachtes Mittagessen verzehren. Schon nach kurzer Zeit bemerkt Thomas eine Zecke an seinem Bein, dann noch eine und noch eine …. Schnell erkannt und schnell entfernt, trotzdem krabbelt es nach wenigen Minuten weiter. Ich habe eine angeblich Insekten-sichere lange Hose an, Thomas entdeckt zwei Zecken darauf. Wir essen schnell, und dann nichts wie weg. Unser Rundgang führt weiter zum Fort Miles, an dem früher 2500 Soldaten stationiert waren. Die Baracken-Siedlung ist noch sehr gut erhalten, als könnten dort morgen wieder Menschen einziehen. Im Außenbereich des Museums stehen Kanonen, deren Geschütze laut Informationstafel so schwer wie ein Nilpferd sind. Mehrere Bunker liegen am Rande des Weges, aus der Luft nicht erkennbar, weil die Dächer komplett begrünt sind. Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Gedanken schweifen zur Ukraine, wo Angst und Gewalt seit vier Monaten an der Tagesordnung sind. 🙁 Wir steigen auf einen Beobachtungs-Turm mit Schießscharten. Von oben kann man den gesamten Park überblicken. Ein Stück weiter steht ein anderer Turm, der allerdings keinen Zugang gewährt. Oben auf dem Geländer sitzen schwarze Greifvögel, die wohnen anscheinend dort. Anschließend spazieren wir zum Campingplatz und nutzen die warmen Duschen. Alles dabei : Shampoo, Seife, Handtücher. 🙂 Ich möchte gerne noch das Biden Center besichtigen. Wir finden es nicht sofort, haben auf dem Campingplatz irgendwie die Orientierung verloren. Die Strecke zieht sich, eigentlich haben wir genug. Zu guter Letzt stehen wir vor dem Gebäude, welches mit einem hohen Zaun umgeben ist. Leider wegen Revovierungsarbeiten geschlossen. Unser Weg war umsonst. Nein, nicht ganz, denn auf einer Schautafel wird die Geschichte des Hauses erklärt. Nun wissen wir, dass dieses Gebiet im Zweiten Weltkrieg unter Militär-Kontrolle geriet. Biden ist ein „Kind“ des Bundesstaates Delaware. Schon 1998 sorgte er dafür, dass das Land ( und viel mehr als vorher ) zurückgegeben wurde. Daraus ist dann der Cape Henlopen State Park entstanden. Ein schönes Foto zeigt Joe Biden zusammen mit dem damaligen Direktor der Delaware State Parks bei der feierlichen Eröffnung. Auf dem Rückweg finden wir bunt bemalte Muscheln, eine mit der Flagge der USA, ein paar Minuten später eine weitere Muschel in Regenbogen-Farben. Wir nehmen sie mit und werden sie an anderer Stelle wieder auslegen, damit sich der nächste Finder freuen kann.

Zum Schluss laufen wir noch ein Stück auf dem American Discovery Trail hin und zurück. Insgesamt 7 Stunden sind wir unterwegs im Cape Henlopen State Park. Ein abwechslungsreicher Tag mit einem bunten Mix aus Strand und Wald und Historie. Allerdings ist der Park sehr übersichtlich. Wir haben das Gefühl, dass wir schon jeden Pfad zweimal gelaufen sind. 😉 Am Abend finde ich vier Zecken an meinen Beinen. Mini-klein sind diese Plagegeister, mit bloßem Auge kaum zu erkennen, wenn man nicht besonders sensibilisiert ist. Thomas entfernt die Schmarotzer fachmännisch mit einer Pinzette.

So ganz war’s das noch nicht mit den Plagegeistern. Nachts krabbelt es bei Thomas, und mir juckt die Kopfhaut. Diese Zecken sind so winzig, dass man sie nicht sieht, sondern erst spürt, wenn sie sich auf dem Körper fortbewegen. Ergiebiger Regen während der Nacht, unser Dingi ist halb voll Wasser. Morgens früh Gewitter. Wir sind nicht motiviert und bleiben etwas länger liegen. Bis zum Mittag sollen noch einige Fronten durchgehen, die starken Wind von der falschen Seite mitbringen. Danach wird dann kräftiger Wind aus Süd-Ost den Weg nach Norden segelbar machen, wenn die Prognosen stimmen. Den ganzen Vormittag grummelt es am Himmel. Gegen 11.30 Uhr ertönt eine offizielle Lautsprecher-Durchsage. Der Anglersteg nebenan muss geräumt werden, damit Niemand zu Schaden kommt. Wie viele Gewitter hatten wir in der vergangenen Woche ? Um 13.00 Uhr geht es los. Unsere Delfine zeigen sich zum Abschied noch einmal in der geschützten Bucht.

Der Weg nach draußen ist ein anderer als auf dem Hinweg. Wir fahren direkt am Sandstrand entlang, eng um die Steinmauer mit rotem Leuchtturm herum. Das für Spaziergänger gesperrte Vogelschutzgebiet können wir nun ganz aus der Nähe betrachten. Auf einem Schild wird vor „Rip Curls“ gewarnt. Flaches Wasser, viele Sandbänke, an denen sich die Wellen brechen. Das kennen wir, es erinnert an Norderney. Vorsichtig umfahren wir die kleinen Landzungen aus Sand, eine weitere Kurve um den schwarz-weißen Leuchtturm herum, dann sind wir draußen und können Kurs anlegen. Halber Wind, nicht zu schwach, so dass wir nur mit der Genua 6 Knoten Fahrt machen. Die Windsteuerung macht sofort mit und lässt sich prima einstellen, ohne dass wir sie lange übereden müssen. 🙂 Wir passieren Cape May, den gegenüberliegenden Zipfel. Das ist die südlichste Stadt von New Jersey und wäre der kürzeste Weg nach New York gewesen, wenn wir nicht den Ankerplatz auf der gegenüberliegenden Seite gewählt hätten. Aber Zeit haben wir genug ( noch ungefähr einen Monat in den USA ). Der Abstecher nach Lewis und der gestrige Wandertag im Cape Henlopen State Park haben sich auf jeden Fall gelohnt. Gerne wären wir noch ein bisschen länger geblieben, aber da macht der Wind nicht mit. Heute und morgen können wir segeln, danach sagt der Wetterbericht für eine Woche Wind von vorne oder Flaute voraus. Zwei Stunden nach dem Start hat sich die frische Brise auf konstante 4-5 Bft. aus Süd-Ost eingependelt. Das Grau am Himmel hat sich verzogen. Auch die kabbelige See hat sich geglättet, seitdem wir aus dem Flachwasser-Bereich heraus sind. Um 16.00 Uhr setzen wir das Großsegel dazu, stellen die Aries neu ein und haben fortan nur noch auf den Verkehr zu achten. Herrliches Segeln ! Eine Zecke läuft plötzlich über meine Hand, ein größeres Exemplar, wahrscheinlich schon vollgesogen. Das Theater ist also noch nicht vorbei, die haben wir wohl gestern vom Wald-Spaziergang mitgebracht. 🙁 Über Funk bekommen wir eine Durchsage der Küstenwache mit. „PAN PAN“ – gesunkenes Kayak in der Delaware Bay. Keine Angaben zu vermissten Personen. Unsere Wetter-App bringt eine Warnung für Kleinschiffe : Gewitter ab 23.00 Uhr und 7 Bft. aus Süden, das ist auf jeden Fall die richtige Richtung. Sturmtaucher machen sich in der Abenddämmerung auf die Jagd. Sie umkreisen unser Boot und stoßen immer wieder ins Wasser, um mit einem Fisch im Schnabel wieder aufzutauchen. Ein Blick zum Himmel lässt uns etwas unruhig werden. Dort gibt es eine seltsame Wolkenformation : Streifen aus weißen und grauen Wolken lassen den Himmel wie ein Faltengebirge aussehen. Gleichzeitig frischt der Wind auf. Wir bergen das Großsegel und laufen nur mit der gerefften Genua immer noch 5,5 Knoten. Schnell genug. Seit Stunden haben wir das AIS-Signal von Segelschiff „Ismael“ hinter uns, welches immer näher aufrückt. Anscheinend will es uns überholen, ist aber nur geringfügig schneller als wir. Volle 4 Stunden lang fühlen wir uns verfolgt. „Ismael“ kommt immer näher. Im Abstand von 0,1 Seemeile fährt er uns dann vor den Bug und bleibt lange in unserer Kurslinie. „Ismael“ nervt. Ich fühle mich sehr unwohl mit der Situation in der Nacht, weil ich das Gefühl habe, dass ich dem gleich hinten drauf fahre. Aufatmen und Entspannung, als der Überholvorgang endlich einigermaßen sicher abgeschlossen ist. Die nächsten paar Stunden sehen wir immer noch die Lichter unseres Verfolgers ganz in der Nähe, aber der ist jetzt eindeutig vorbei. Nachts um 2.00 Uhr ist  der Wind fast weg. Schade. Die Genua schlägt. Schiffs-Bewegungen werden sehr rumpelig, weil die Wellen noch nicht geglättet sind. Festgekeilt in der Seekoje – das hatten wir ja auch lange nicht. Zu viel Geschaukel, zu laut und noch ungewohnt. Für mehr als 3 Stunden Schlaf pro Person in der Nacht reicht es nicht.

Wetterleuchten während der Nacht. Gewitter voraus, aber es bleibt in großer Entfernung. Eigentlich ganz entspanntes Segeln mit wenig Verkehr. Auf dem New Jersey ICW dagegen herrscht reges Treiben, wie wir auf unserem Plotter erkennen können. Dicht an dicht leuchten die AIS-Signale. Dieser schmale Wasserweg ist sehr beliebt, weil er immer im Schutz der vorgelagerten Inseln bleibt. Das wird sicher eng auf den Ankerplätzen. Nachts kann man dort nicht fahren, segeln sowieso nicht. Viel zu eng, und für unser Schiff gibt es nicht durchgängig genug Wassertiefe. Wir sind froh, dass wir uns für die Außenroute entschieden haben. Voraus schwimmen Delfine. Ein Militär-Schiff ohne AIS-Signal kommt uns entgegen. Die Küstenwache meldet in regelmäßigen Abständen, dass ein Segelboot vermisst wird. Schon wieder. Was machen die hier bloß ? Wir müssen mit der Tide planen, damit wir nicht gegen den Strom in die Sandy Hook Bay einlaufen. Zudem ist wieder eine Starkwind-Warnung aktiv. Ab heute Abend 18.00 Uhr soll es kräftig aus West blasen. Das können wir gar nicht gebrauchen, wenn wir Richtung New York in die Bucht segeln. Im Moment ist der Himmel diesig mit ein paar weißen Wolken. Sieht aktuell nicht nach schlechtem Wetter aus, aber das ist hier an der Ostküste sehr dynamisch. Am Nachmittag schält sich langsam die Silhouette von New York aus dem Dunst. Leider haben wir keinen Sinn für diese spektakuläre Annäherung, denn gegen 15.00 Uhr ertönt ein schriller Pfeifton, den wir noch nie zuvor gehört haben an Bord. Was ist das für ein Alarm ? Der Motor ist überhitzt, Temperatur im roten Bereich. Haben gerade vor einer halben Stunde die Maschine angestellt, weil der Wind inzwischen direkt von vorne bläst. Es kommt kein Wasser mehr aus dem Auspuff, da stimmt etwas mit dem Kühlwasser-System nicht. Hätte uns auch den Motor komplett ruinieren können, also eigentlich Glück gehabt, dass dieser hässliche Alarmton den Fehler gemeldet hat. Der Käpt’n ruft „Übernimm mal !“ und verschwindet im Motorraum. Volle zwei Stunden bemüht er sich, das Problem zu beheben. Es scheint eine Verkettung von mehreren Dingen zu sein – wie so oft. Ich springe derweil nach oben, setze die Genua und versuche, einen segelbaren Kurs zu finden. Der Wind kommt aus der Richtung, in die wir möchten, der direkte Weg funktioniert nicht. Also bemühe ich mich, wenig Raum zu verschenken und das Boot möglichst ruhig zu halten. Klappt nach einer Weile ganz gut. Eine Durchsage der Coast Guard verursacht uns Gänsehaut. Ein weibliches Kind ist über Bord gefallen. Eine Stunde später gibt es leider immer noch keine Entwarnung. Mittlerweile sind drei Suchtrupps bei der Arbeit, außerdem natürlich Helikopter von oben. 🙁 Wir holen die Genua ein und tauschen gegen die neue ( gebrauchte ) Fock am inneren Vorstag. Das ist ein sehr spitz geschnittenes Dreieck aus festem Tuch, damit können wir sehr hoch an den Wind gehen. Das Boot wird schneller, und der Kurs wird besser. Ohne Motor bei Gegenwind ist trotzdem nicht das, was man sich wünschen würde. Stunde um Stunde kreuzen wir in Richtung New York. Dabei kommen uns andauernd motorisierte Schiffe in die Quere. Alle haben Vorfahrt : Berufsverkehr, Kreuzfahrer, mehrere Schlepp-Verbände und Lotsen. Ohne Maschine und gegen den Wind sind wir natürlich nicht besonders manovrierfähig. Wir versuchen, den großen Schiffen nicht in die Quere zu kommen, ändern mehrmals unseren Kurs oder bremsen ab, bis sie vorbei sind. Eine sehr defensive Fahrweise, aber wenn wir in diesem Fahrwasser kreuzen, dann würden wir den Schiffsverkehr massiv behindern. Ziemlich zäh, man braucht eine Menge Geduld und gute Nerven. Über Funk kommt die Meldung, dass drei Kayaks gekentert sind. Meine Güte – was machen die bei solchen ruppigen Bedingungen mit dem Kayak draußen ? Ach ja, es ist Wochenende. Bei der Menge von Wassersportlern passiert ständig etwas. Es scheint, als ob hier eine Katastrophe auf die andere folgt. 🙁 Wir haben einen Maschinenschaden, aber zum Glück haben wir ein Segelboot und können uns selber helfen. Erstmals zum Einsatz gekommen ist unser Vorsegel von Ebay. Passt wunderbar für diesen Zweck und hat uns das Gegenan-Segeln ermöglicht. Guter Kauf. 🙂 Trotzdem dauert es natürlich lange, 7 Stunden für knapp 20 Seemeilen. Irgendwann haben wir es geschafft. Um 22.00 Uhr erreichen wir die Sandy Hook Bay. Ankern mit Aufschießer – haben wir mit diesem Boot noch nie vorher praktiziert, aber Walkabout steht auf dem Punkt. Ganz großes Kino. 🙂

Motor-Müller verbringt drei weitere Stunden, bis das Problem behoben ist. An der Kühlwasser-Pumpe fehlt eine Schraube, und durch dieses Loch hat das System Wasser verloren. Thomas kramt unser Ersatzteil aus den Tiefen des Bootes und stellt fest, dass es nicht so einfach auszuwechseln ist. Nicht zu 100 % baugleich, es müsste ganz leicht modifiziert werden. Selbst die Schraube von der Ersatzpumpe ist zu lang, aber mit einer Unterlegscheibe wird es passend gemacht. Im Inneren der Kühlwasser-Pumpe befindet sich ein beweglicher Kamm aus Metall, der eigentlich durch die Schraube an seinem Platz gehalten wird. Schraube weg, der Kamm hat sich verschoben …. das Kühlwasser ist einfach so herausgelaufen, wie man es eingefüllt hat. Kein Wunder, dass der Motor zu heiß wurde. An anderer Stelle hat sich eine Schlauchschelle gelöst, die Verbindung vom Wasserschlauch zum Krümmer ist locker. Also eine schöne Verkettung vieler Kleinigkeiten, wie so oft auf dem Boot. Zu guter Letzt wird der Impeller gewechselt, obwohl er noch gut aussieht. Um 11.00 Uhr läuft der Motor tadellos. Der Auspuff spuckt das Wasser in einem dicken Strahl aus, so wie es sein sollte. Operation erfolgreich beendet. 🙂 Es ist ein sehr beruhigendes Gefühl, dass die Maschine wieder in Ordnung ist. Im Notfall könnten wir also den Motor starten, um uns aus einer brenzligen Situation zu befreien. Konstante 8 Windstärken aus Nord-Ost, in den Böen auch mehr. Thomas gibt weitere Ankerkette nach, jetzt sind 50 Meter Kette draußen bei 4-5 Meter Wassertiefe. Unser Platz in der Sandy Hook Bay ist weit offen, aber unter Segeln hatten wir keine andere Wahl. Wir werden hin- und her geschüttelt, der Bug stampft auf und ab, Walkabout bockt am Anker. Mein Käpt’n und Motor-Fachmann wird leicht seekrank. Das gute „Stugeron“ hilft. An Land können wir bei solchen Bedingungen natürlich nicht. Wir beschäftigen uns an Bord mit Dingen, zu denen man sonst nicht kommt. So ein Tag mit Hausarrest auf dem  Boot kann lang werden. Die Coast Guard meldet über Funk ein vermissten Segelboot. Schon wieder. 🙁 Am Ende des Tages haben wir eine Menge Dinge geschafft, zu denen wir sonst nicht kommen, weil wir viel lieber unterwegs sind. Der Wind tobt stundenlang mit unverminderter Stärke weiter. Zum Abend hin gibt es eine kleine Beruhigung, die das Einschlafen erleichtert. Nachts brist es erneut auf, das ist nun langsam nicht mehr lustig. Die Geräuschkulisse vorne in der Koje ist fürchterlich. Thomas steht um 3.00 Uhr auf und versucht, Abhilfe zu schaffen. Eine von zwei Sorgleinen, die unsere Ankerkette entlasten, ist gerissen. Gemütlich geht anders.

Am nächsten Morgen haben wir eine kleine Chance, den Standort zu wechseln. Der Wind hat auf 6 Bft. abgenommen und soll erst mittags wieder stärker werden. Die Tide passt, Strömung kommt nicht von vorne, sondern von der Seite. Wir suchen und finden einen Platz in 10 Seemeilen Entfernung, der zu allen Seiten geschützter aussieht. Irgendwo hält ein Anker nicht, wir hören über Funk den Hilferuf an die Coast Guard mit. Aufbruch um 10.00 Uhr. Der Motor tuckert unauffällig, das Kühlwasser läuft. Unser Anker ist kaum einzuholen. Der hat bei diesen schweren Bedingungen super gehalten. Walkabout hat sich nicht vom Fleck bewegt. 🙂 Heraufholen von 50 Meter Kette mit Muskelkraft ist anstrengender Frühsport für Thomas. Bis auf den Wind ist das Wetter herrlich. „PAN PAN“ der Küstenwache : Mann über Bord. Zum Glück folgt kurz darauf die Entwarnung, dass die Person gerettet wurde. Drei Stunden brauchen wir für die Durchquerung der Lower Bay. Um 13.00 Uhr fällt unser Anker genau bei Hochwasser zwischen Midland Beach auf Staten Island und Hoffman Island. Gerade in diesem Moment frischt der Wind kräftig auf. Erneut bekommen wir einen Funkspruch mit. „Vessel under Stress“. Herrje – was ist hier bloß los ? Gute Entscheidung, den Platz zu wechseln. Es ist zwar nicht ruhig, aber schon viel angenehmer. Landgang gibt es nicht, obwohl ein schöner Sandstrand vor unserer Nase liegt. Dafür sind die Bedingungen zu rau. Etwa 10 Liter Dreckwasser haben sich in der Bilge gesammelt, die müssen abgepumpt werden. Danach putzt Thomas den Motorraum schön sauber, und die Original-Schraube der Kühlwasser-Pumpe findet sich am Grund wieder. „Haus verliert nichts“ …. würde meine Oma jetzt sagen. Boot auch nicht. 😉 Getriebe-Öl wird nachgefüllt, die Stopfbuchse gefettet und angezogen. Dann ist alles wieder schick. Planung für die nächsten Tage steht an. Wir lesen uns schlau und sammeln Informationen. Was wollen wir unbedingt machen ? Welches Touristen-Ticket bringt uns die meisten Vorteile ? Wie lange wollen wir überhaupt bleiben ? Und wie funktioniert das mit den öffentlichen Verkehrsmitteln? Staten Island ist der südlichste der 5 Stadtbezirke von New York City.  Morgen werden wir aufgrund der Tide erst gegen Mittag losfahren, haben dann hoffentlich noch Zeit für einen ersten Erkundungsgang. Es liegen nur noch 9 Seemeilen vor uns bis zum endgültigen Ankerplatz bei Liberty Island. 🙂

Der Wind hat während der Nacht nachgelassen, so dass wir endlich wieder ruhig schlafen konnten. Start um 10.30 Uhr. Wir dürfen erst gegen Mittag mit auflaufendem Wasser ankommen, weil unser nächster Ankerplatz sehr flach ist. Zunächst fahren wir unter der Verrazzano-Narrows Bridge hindurch. Einfach gigantisch ! Diese Brücke ist mehr als 4 Kilometer lang, über 200 Meter hoch und hat DREIZEHN Fahrspuren, auf denen Tag und Nacht der Verkehr fließt bzw. stockt. Links davon liegt Staten Island, der südlichste der 5 Stadtbezirke von New York City. Rechts der Brücke befindet sich Coney Island, das ist die äußerste südliche Spitze vom Stadtbezirk Brooklyn. Charly und Fran aus der Lamb’s Marina haben vor etlichen Jahren vor New York auf ihrem Boot gelebt. So haben wir eine Menge unschätzbarer Details erfahren. Charly hat uns sogar den Lageplan auf eine Papiertüte gemalt. Wir ankern vor dem Liberty State Park mit Blick auf die Freiheitsstatue. Sehr exklusiv. 🙂 Hier liegen bereits 5 andere Segler. Thomas spricht mit unserem nächsten Nachbarn Roman, der erzählt nichts Gutes : Anscheinend wollen die keine Boote im State Park haben. Mindestens einer der Parkwächter tut sich wichtig und schikaniert die Ankerlieger. Wir erfahren, dass Ramon sein Dingi an einem anderen Platz vorgefunden hat, anderen Boots-Besitzern wurden die Paddel weggenommen. Das hört sich nach Stress an. 🙁 Unsere elektronische Seekarte und auch die Navionics-App zeigen an dieser Stelle das Zeichen für einen geschützten Ankerplatz. Wenn man hier jedoch nicht an Land gehen darf, dann scheint das doch nicht so optimal zu sein. Die Weltstadt New York nur vom Boot aus sehen …. Das hatten wir uns etwas anders vorgestellt. 😉 Ringsum präsentiert sich ein schöner Park für Spaziergänger und Radfahrer, sehr sauber, sehr grün. Im State Park Office möchten wir uns anmelden, aber die haben nur bis 16.00 Uhr geöffnet. Es ist genau 16.00 Uhr, aber die Tür ist bereits verschlossen. Wir kommen an einer Polizei-Station vorbei, dort fragen wir die netten Beamten, ob unser Ankerplatz okay ist. Die sind zwar eine übergeordnete Stelle, also wichtiger als die State Police, aber leider nicht zuständig für unser Anliegen. Dann verschieben wir die Sache eben auf morgen. Wir laufen weiter am Ufer entlang bis zur Liberty Landing Marina. Dort liegen wir nicht mit dem Boot, weil es einfach unerschwinglich ist. Die Benutzung des Steges, wenn wir nur mit dem Dingi anlanden, soll 45,- Dollar kosten. Nicht in der Woche, sondern pro Tag. Unfassbar. 🙁  Das können und wollen wir nicht bezahlen. Dafür sind wir mit dem Duschen in der Marina erfolgreich. Zwei Türen der Sanitäranlagen sind unverschlossen. Wir haben unser Waschzeug und Handtücher natürlich dabei. 😉 Ein erster Erkundungsgang am Nachmittag führt uns nach Jersey City. Ein wichtig aussehendes Gebäude entpuppt sich als Rathaus. Wir finden rein zufällig den Farmer’s Market, der nur zweimal wöchentlich stattfindet. Frischer Salat …. 🙂 Die restlichen Zutaten für unser Abendessen kaufen wir in einem riesigen Asia-Supermarkt. Sehr interessant, tolles Angebot an Obst und Gemüse, Fisch und Fleisch. Mit einem kalten Getränk setzen wir uns auf eine Bank in der Fußgängerzone und beobachten das bunte Treiben. Multi-Kulti, schön bunt, einige schräge Gestalten laufen vorbei. Aber im Großen und Ganzen eher harmlos, hier scheinen ganz normale Leute zu wohnen. Bei unserer Rückkehr am Abend haben wir einen großen, auffälligen Zettel am Dingi. Eine Ermahnung der New Jersey State Park Police, dass unser „Fahrzeug“ gecheckt wurde und es verboten ist, das Beiboot an Land zu bringen. Beim zweiten „Vergehen“ soll es eine Strafe geben. Auf dem Nachhauseweg sprechen wir mit anderen Nachbarn, zwei Brüdern aus Großbritannien auf Weltreise. Auch diese jungen Burschen haben ein „Ticket“ bekommen, obwohl es nirgends ein Verbotsschild gibt. Ihre Ruder wurden einkassiert, so dass sie nach dem Landausflug nicht zurück zu ihrem Boot konnten. Telefonisch mussten sie um Rückgabe bitten und mit dem strengen Park- Sheriff diskutieren. Was für ein Ärger ! Das trübt die Ankommens-Freude ein bisschen. 🙁

Ein Kommentar zu “von Annapolis über Lewes nach Jersey City